Wenn Mann und Frau alleine auf einer Bühne tanzen, dann blitzt in guten Momenten die archaische Geste des ewigen Gegensatzes zweier Temperamente auf. Nur die Bewegungen, derer sie sich bedienen, die kennen wir zumeist schon. Kaum eine Tanzproduktion ohne ein Pas de deux. Nur wie angestrengt sieht das oftmals aus, das Ringen der Choreographen um frische, aussagekräftige Bewegungen. Und dann sieht man das Aterballetto aus Italien und es öffnet sich eine Quelle der Ideen und der Lust an der Zweisamkeit, die auch schwierigste Themen verzaubert. Zum Gastspiel nach Köln ins Schauspielhaus brachte die Truppe aus der Emilia ihre Choreographie „Terra“, die vom jüdischen Exodus und den Spuren erzählt, die er im kollektiven Unbewussten der Europäer hinterlassen hat.
Nie sahen Flüchtlinge schöner aus. Nie war ihre Einsamkeit, ihre Ratlosigkeit und ihre Entschlossenheit erotischer. Die Männer tragen nur weiße Hemden und graue Hosen, die Frauen Kleider mit großen Blumenmustern, wie in den dreißiger Jahren. Wie attraktiv diese Epoche doch war, wenn es nur nicht die Dreißiger Jahre gewesen wären, denkt man insgeheim. Getanzt wird mit untrüglichem Blick für das Einzelbild ohne das je das Ganze aus dem Auge verloren wird. Einen Pas de deux zeigen die Italiener, als hätten sie dieses Sujet gerade erfunden. Choreograph Mauro Bigonzetti liebt die Frauen über alle Maßen, in jeder Figur zeigt er uns sein Begehren für sie und mit hingebungsvollem Erfindungsreichtum seine Bewunderung für ihren Körper. Bigonzetti muss sich nicht hinter den Exerzitien trockener Stilistik verstecken, wie es so manche zeitgenössischen Kollegen seines Fachs tun. Er versteht es, seiner Lust Ausdruck zu verleihen. Das Ergebnis ist von einer Zartheit, die Grazie nie im Ungefähren belässt, sondern konkret immer die Realität des Körpers ausstellt. Das ist schon sehr sexy und traf das Publikum mitten ins Herz, schon zur Pause mochte man die Truppe nicht von der Bühne lassen.
Im zweiten Teil dann mit den „Rossini Cards“ ein Streifzug durch den Melodienwald des italienischen Komponisten. Aber auf eine Weise, die Rossinis perlenden Klängen nicht einfach folgt, sondern sich von ihnen inspirieren lässt, humorvoll, kontrastreich und wie selbstverständlich mit mutiger Erotik. Gleich zu Beginn ein Paar, das uns zeigt, wie elegant das Tier mit den zwei Rücken, den vier Armen und vier Beinen dem Entzücken seiner Lebendigkeit Ausdruck verleihen kann. Mauro Bigonzetti legt sich und seinen Tänzern keine dramaturgischen Fesseln an, wie er auch keine Ambitionen zeigt, die Grenzlinie avantgardistischer Ästhetik zu erkunden. Vielmehr achtet er darauf, seine Choreographien frei von den allseits bekannten Bewegungsmustern zu halten. Sein Trumpf sind seine Ideen, seine Fähigkeit, uns zu zeigen, was Mann und Frau alles miteinander anstellen können und welche Freude ihnen dieses Experiment bereitet. Sie steckt an, diese Freude, mit dem letzten Vorhang brach ein Johlen und Schreien und Klatschen durch das Haus, wie man es selten erleben konnte. Hoffentlich kommt diese Truppe bald wieder ins Schauspiel.
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