André Schäfer, Jahrgang ‘66, hat Journalistik und Geschichte studiert. Nach erster Tätigkeit als Autor wurde er Redakteur beim WDR. Seit 2001 ist er Gesellschafter der Florianfilm GmbH in Köln. „Lenin kam bis Lüdenscheid“ ist nach vielen TV-Dokus sein Kinodebüt.
engels: Inwieweit war Richard David Precht, der Autor der Buchvorlage, in das Konzept des Films und die Dreharbeiten involviert?
André Schäfer: Richard David Precht war von Anfang an in das Projekt involviert. In meinen Gedanken, als ich vor zwei Jahren im Urlaub sein Buch las und mir vorstellte, welche der absurden Geschichten er wohl seinem Leben hinzugedichtet hat. Und real von dem Moment an, als ich ihn in seiner Kölner Wohnung zum ersten Mal getroffen habe und wir beschlossen, den Film gemeinsam zu machen. Er ist also nicht nur der Autor der Buchvorlage, sondern auch der Autor des Drehbuchs für meinen Film. Konkret hat er seine Vorschläge zu verschiedenen Passagen der Buchvorlage gemacht und ich meine. Daraus ist eine sehr fruchtbare und enorm freundschaftliche Zusammenarbeit entstanden. Am Ende hat er dann den Text komplett neu geschrieben - zu den Bildern, der Musik und den O-Tönen, die ich ihm geliefert habe.
Es gibt von der Familie zeitgenössische Aufnahmen vom WDR. Das vermeintlich authentische Super 8-Material wurde jedoch nachgestellt. Wie kam es zu der Entscheidung für diese Spielszenen?
Um dem Film ein möglichst privates Gesicht zu geben, haben wir in Solingen intensiv nach Original-Super 8-Aufnahmen gesucht - und sie auch gefunden. Wir fanden, dass dieser Look für die Geschichte ideal wäre. Mit Richard David Prechts fünfjährigem Sohn Oskar haben wir an Originalschauplätzen auf Super 8 gedreht. Allerdings haben wir daraus kein „Fake“ machen wollen, sondern an mehreren Stellen des Films Richard mit seinem Sohn in der heutigen Welt gezeigt, um die Zuschauer wieder auf die richtige Spur zu bringen.
Wo lagen die Schwierigkeiten bei der Verfilmung des Buchs, an welchen Stellen konnte der Film mehr leisten als die Buchvorlage?
Wir wollten weder lügen noch besonders stark inszenieren. Deshalb mussten am Ende Szenen, die ich in der Buchvorlage besonders gern mochte, im Film unberücksichtigt bleiben. Wir wollten kein Doku-Drama mit Ausstatter oder Kostümbildner machen, sondern einen dokumentarischen Film. Ich würde das aber nicht als Schwierigkeit betrachten, sondern als Herausforderung.
Gerade noch selbst erlebt: Die Pfingstversammlungen der SDAJ und DKP, die im Film auftauchen, gibt es immer noch. Im Gegensatz zu heute waren die linken Gruppen in den 70er Jahren ja allgegenwärtig, sogar in Solingen. Hat die Recherche ergeben, in welchem Umfang es eine solche Szene noch gibt?
Unsere Protagonisten von damals haben sich von SDAJ und DKP, sagen wir, entfernt - sowohl Richard als auch seine Schwester und sogar Frank Knoche. Wir wollten das weder bewerten noch thematisieren oder gar vergleichen - sondern die Geschichte der Prechts mit dem Mauerfall enden lassen: subjektiv, aus der Erinnerung eines einzelnen heraus erzählt ...
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