Nordrhein-Westfalen ist im Reigen der Bundesländer das Land mit der lebendigsten aktuellen Kulturszene. Darauf darf man sich etwas einbilden an Rhein und Ruhr. Vor allem die unabhängigen Kulturschaffenden finden hier ein interessiertes Publikum wie in keiner anderen Region in Deutschland. So kann Kulturstaatssekretär Bernd Neuendorf denn auch zutreffend behaupten, dass „die freie Szene immer wieder Neuland (erkundet)“, dass man „unkonventionelle Formate oder auch Orte (sucht)“ und die Künstler der freien Szene „überaus innovativ“ sind. Allerdings stellt sich dann auch die Frage, warum NRW seine großartige Ressource Kultur um 16 Millionen Euro eindampfen möchte und mit „Impulse“ das bedeutendste Theaterfestival der freien Szene im gesamten deutschsprachigen Kulturraum gekillt werden soll?
Aber der Staatssekretär hat ja vor allem den Tanz im Blick, wenn er der Szene seine Hochachtung bekundet. Mit tanznrw13 steigt in diesem Jahr wieder das Festival, das vom 27. April bis zum 7. Mai in acht Städten (Bonn, Düsseldorf, Essen, Köln, Krefeld, Münster, Viersen und Wuppertal) insgesamt 25 Kompanien aus NRW zeigt. Es gibt 45 Vorstellungen über die Region verteilt und die Qualität ist verbürgt, weil sich fast alle Produktionen schon vor einem kritischen Publikum bewähren mussten. Einen Beigeschmack vermag diese Veranstaltungsform, die nun schon zum vierten Male gewählt wurde, auch nicht so recht abzustreifen. Wie soll sich eine Festival-Atmosphäre entwickeln, wenn durch acht Städte getourt wird? Wer begeistert sich in Krefeld dafür, dass am nächsten Tag eine Choreographie in Münster zu sehen ist? Ein Konzept, bei dem das ganze Land zur Bühne erklärt wird, sieht nach Abspielförderung aus.
Andererseits muss man realistisch sein in Zeiten knapper Kassen. Den Kompanien hilft dieser Modus und dem Publikum auch. Prima, dass die Bonner nun in den Genuss der aufwändigen, aber eben auch wunderbar klugen Performance „Exuviae“ von Yoshie Shibahara kommen. Oder dass sie Karel Vaneks freche Reflexion „Tanzhuren“ sehen können, die danach fragt, wie weit sich Tänzer bereit finden, ihren Körper und ihre Person zu verkaufen. Bonn, dessen Kulturangebot von den eigenen Stadtvätern um die traditionelle Tanzsparte amputiert wurde, bekommt als Eröffnungsort die Festival-Atmosphäre sicher hin. Neun satte Tanz-Events in drei Tagen, das macht Lust auf modernen Tanz.
In Köln nutzen die Tanzschaffenden das Festival, um unter dem Titel „Open Studios“ ihre Produktionsorte zu zeigen. Ein Unternehmen, das garantiert Charme entwickeln wird, aber sicher auch dem Publikum das Elend augenfällig macht, in dem der Tanz in Köln zurecht kommen muss.
Gruselig wird es in Bochum zugehen, wenn Renegade das mit Horror-Elementen durchsetzte Spiel „Out of Body“ im Schauspielhaus zeigt. Wie man es anstellt, dem Teufel in sich zu begegnen, zeigt das vielköpfige Ensemble in wuchtigen Bildern. Die Welt der jungen Leute, die aus der Perspektive von acht sehr unterschiedlichen Charakteren gezeigt wird, inszeniert der aus Algerien stammende Choreograph Samir Akika in der Produktion „Unusual Symptoms“ für PACT Zollverein in Essen. Wer die Welt des zeitgenössischen Tanzes kennenlernen will, dem werden bei tanznrw13 aufregende Inszenierungen geboten, die eine Vorstellung von der Dichte dieser Kunst im Westen Deutschlands geben.
27.4.-7.5. | Bonn, Düsseldorf, Essen, Köln, Krefeld, Münster, Viersen und Wuppertal | www.tanz-nrw-13.de
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