„Sie werden etwas erleben, was sie noch nie und wahrscheinlich auch nie mehr erleben können: Das Opernhaus wird nie wieder so leer sein!“ Dieses Versprechen des Regisseurs Nicolas Brieger vor der Premiere der Oper „Krieg und Frieden“ geriet missverständlich. Brieger meinte nämlich nicht das Opernhaus, das sich ja in aktuellen Zeiten so schnell füllt mit alten und neuen Opernfans, wie sich die Kassen der Bühnengemeinschaft leeren. Intendant Uwe Eric Laufenberg hat gezockt wie die ungeliebten Banker, die erst auffallen, wenn der Schaden gigantisch ist. Mit etwas mehr Geld, z. B. 1 Million Euro, lässt sich der Spielbetrieb merklich veredeln – prominente Dirigenten, besonders gefragte Sänger usw. Im Falle Laufenbergs ist die Sache insofern sehr gut ausgegangen, weil dieser wachsende Standard an Kölns Oper überregional bemerkt wurde. Keine Frage: Zocken bleibt ekelhaft. Aber: Die Kölner Oper ist wieder was! „Und sie ist so voll wie lange nicht mehr“, könnten wir Herrn Brieger zurufen, der sich auch darüber freut.
Seine Aussage bezog sich allerdings auf den Bühnenraum, der in seiner Tolstoi-Oper die unendliche Weite des Zarenreiches darstellen soll. Leer geräumt erscheint auch die Partitur der Oper, wie sie Sergej Prokofjew hinterlassen hat. Von mehr als fünf Stunden Notenmaterial wurde die aktuelle Fassung auf gut drei Stunden gekürzt, da sind nicht nur Späne gefallen. Unter politischem Druck und angesichts der drohenden Invasion der Hitlertruppen hatte der Komponist sein Bühnenstück zu einem patriotischen Schlachtengemälde aufgeblasen. Brieger: „Wenn wir den ganzen Vaterlandsbombast streichen, reduziert sich das Stück nicht auf eine Liebesstory. Diese Fassung versucht, die vernichtende Kraft des Krieges zu verdeutlichen, wie Krieg in das Private greift und Leben verändert.“ Bewusst spricht der Regisseur und Bearbeiter von einer Fassung, einer gelungenen, wie sich schnell herausstellte. Brieger: „Es ist natürlich in dieser Form wie eine Uraufführung. Denn wir greifen nach dem innersten Kern des Stückes und versuchen, diesen zum Tragen zu bringen. Dazu müssen Zudecken wie die platten vaterländischen Chöre weggeräumt werden.“ Das hört sich einfach an, ist es aber nicht. Die Werktreue wird nämlich in der Musik ganz groß geschrieben. Insofern ging der Regisseur ein Risiko ein. Brieger: „Wir nennen das in der Bühnenwelt: Der Theatergott stand Pate. Ich hatte beinahe rauschhaft einen guten Zugriff auf dieses Stück. Und die spätere Einsicht in eine vorhandene Urfassung bestätigte die meisten meiner Eingriffe.“ Die Ehrenrettung eines selten bis nie gespielten Opernmonsters, das sowohl mit seiner gigantischen Sängersolistenbesetzung sowie mit Chor und Extrachor auch schon wieder eine Kerbe in die Kasse schlagen kann, muss sich natürlich auch für die Zuschauer lohnen. Und die größte Kraft dieses Werkes liegt – neben der wunderbaren Musik, versteht sich – für Brieger bereits in der literarischen Vorlage. Brieger: „Wer allein den Roman liest, der tut was für sein Leben. Das ist eine Geschichtsbetrachtung, die nimmt so viel vorweg, was wir heute erfahren, was alles auf Lügen basierte, wer was alles gemacht hat … Diese Mischung aus Fiktion und Dokumentarischem ist einfach die Wahrheit.“
„Krieg und Frieden“ I Oper Köln I 1./3./8.10. I www.operkoeln.com
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