Als die Konzertbesucher die Kölner Philharmonie betraten, klangen von allen Seiten bereits live gespielte Musikfetzen an. Nur ein kleiner Teil der Instrumentalisten saß auf der Bühne, das Gros des Orchesters bevölkerte Balkone, Emporen und Galerien; und sie sandten kurze und markante Botschaften aus. Was die Besucher, die sich wie gewohnt in gemütlichem Plauderton unterhielten, nicht bemerkten: Das Konzert hatte schon begonnen.
So ging der Plan des französischen Komponisten Philippe Manoury, der für das Gürzenich-Orchester bis zum Ende des Jahrzehnts eine Trilogie schaffen möchte, gleich bei der Uraufführung seines ersten Abschnitts „Ring“ ganz glänzend auf. Selbst als sich der Chefdirigent François-Xavier Roth unauffällig in einer Traube von Musikern auf die Bühne schlich, sich auf sein Dirigierpodest hockte und dem Geschehen lauschte, blieb der Plauderton gut gelaunter Konzertgäste erhalten. Und so markierten die das Publikum „umringenden“ (daher der Name des Stückes) Musiker eine akustische Tapete, die eine unvertraute Hörsituation vorab etablierte.
Manoury arbeitet auch in der aktuell beginnenden neuen Spielzeit weiter am überraschend-irritierenden Werk. Das Gürzenich-Orchester ist allerdings zum Auftakt selbst mit Ungewöhnlichem befasst: Die Philharmonie, die Heimat und neben der Oper Hauptwirkungsstätte des Orchesters, wird 30 Jahre alt. Dazu legt Francois-Xavier Roth gleich zwei Festkonzerte auf und erinnert gleichzeitig an die bedeutende Konzertgeschichte des Orchesters. Mahlers Fünfte, populär durch Viscontis Film „Tod in Venedig“, wurde im Gürzenich, dem früheren Konzertsaal des Orchesters, uraufgeführt. Mit Mahlers Sinfonik wurde vor dreißig Jahren die Philharmonie festlich eingeweiht. Bartóks 2. Violinkonzert – jetzt mit Michael Barenboim als Interpreten – erlebte in Köln die deutsche Erstaufführung. Einzigartig wird auch die Kooperation der beiden philharmonischen Hausorchester Gürzenich und WDR Sinfonieorchester, für die der slowenische Komponist Vito Zuraj ein „Konzert für zwei Orchester“ geschrieben hat. Ganz außerordentlich selten ergeht dabei auch eine Einladung an beide Chefdirigenten: Roth und Jukka-Pekka Saraste sind zur Stelle.
Im Dom setzt Domkapellmeister Eberhard Metternich für Beethovens „Missa solemnis“ auf das Gürzenich-Orchester, dabei fegt die herrliche Größe des Werkes alle akustischen Bedenken hinweg. Und das erste Abo-Konzert des städtischen Orchesters feiert im Oktober ein weiteres Jubiläum: Seit drei Jahrzehnten arbeitet der russische Dirigent Dmitrij Kitajenko mit dem Orchester, er ist Ehrendirigent des Klangkörpers, heiß geliebt von Musikern und dem vertrauten Publikum. Prokofjew, Schostakowitsch und Chatschaturian serviert der Maestro: ein Auftakt mit herzergreifender Musik.
Gürzenich-Orchester: So 11.9. 11 Uhr – Festkonzert zur Saisoneröffnung, Philharmonie (Bartók, Mahler) | Mi 14.9. 20 Uhr – Jubiläumskonzert Philharmonie (Debussy, Zuraj, Sibelius) | Do 29.9. 20 Uhr – Konzert im Dom (Beethoven) | 9./10./11.10. – Sinfoniekonzert in der Philharmonie (Dirigent: Kitajenko) | www.guerzenich-orchester.de
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