engels: Herr Lewinsky, Musik spielt in Ihrem Film eine große Rolle, und die Darstellung der Szene wirkt sehr glaubwürdig. Haben Sie einen persönlichen Bezug zur Musikszene?
Micha Lewinsky: Musik war immer sehr wichtig für mich. Ich habe schon in Bands Gitarre gespielt, lange bevor ich angefangen habe, über Drehbücher nachzudenken. Das Besondere an den Musikszenen in diesem Film ist aber der Club „Helsinki“. So, wie man ihn im Film sieht, existiert er seit Jahren in Zürich. Und auch die Bands, die in „Der Freund“ zu hören sind, gehören ganz stark zur Züricher Musikszene und treten immer wieder im „Helsinki“ auf.
Die Figur der Larissa spielt die Musikerin Emilie Welti alias Sophie Hunger, die auch für den Soundtrack verantwortlich zeichnet. Wie kamen Sie auf die schauspielerisch unerfahrene Musikerin, und glauben Sie, dass die Besetzung mit einer echten Musikerin zu einem realistischen Bild beiträgt?
Dass Sophie Hunger überhaupt mitgemacht hat, war ein großes Glück für uns. Dass sie keine Schauspielerin ist, hat mich nicht gestört. Sie hat eine starke Präsenz, und sie hat sich intensiv mit der Figur auseinandergesetzt. Im Film singt sie auch einmal ein Lied live, wie es eben nur sie kann. Keine Schauspielerin könnte es da mit ihr aufnehmen.
Im Gegensatz dazu scheint die Hauptfigur Emil in seiner Hilflosigkeit und Naivität mitunter etwas überzeichnet. Wäre eine erdigere Charakterisierung, in der Emil nicht auch noch bei seiner Mutter wohnt, nicht glaubwürdiger?
So überzeichnet ist er gar nicht. Ich finde ja eher, dass das Bild der ewig potenten, selbstbewussten, lockeren und zielstrebigen Männer, das uns immer vermittelt wird, unglaubwürdig ist. Im Grunde sind viele junge Männer heute so unsicher und verträumt wie Emil. Man sieht es ihnen nur nicht gleich an.
Für Ihr Debüt „Der Freund“ erhielten Sie gleich zwei schweizerische Filmpreise, für Ihren letzten Film „Die Standesbeamtin“ wieder einen. Sie scheinen mit Ihrem Tonfall einen Nerv zu treffen. Wie würden Sie diesen Tonfall charakterisieren?
Die Definition des Tonfalls überlasse ich gerne anderen. Ich versuche einfach, Filme zu machen, die unterhalten, berühren, die lustig, traurig, ehrlich und auch ein bisschen böse sind. Und wenn mir ein Teil davon gelingt, bin ich zufrieden.
Gibt es bereits ein neues Filmprojekt?
Mit der Kölner Produktionsfirma „Wüste West“ entwickle ich einen Spielfilm, den wir mit ein bisschen Glück noch dieses Jahr drehen können. Es ist eine Adaption des zauberhaften neuen Romans „Die Herrenausstatterin“ der gebürtigen Kölner Autorin Mariana Leky.
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
„Die Geschichte ist jetzt unfassbar aktuell“
Regisseur Andreas Dresen über „In Liebe, Eure Hilde“ – Gespräch zum Film 10/24
„Es geht um Geld, Gerechtigkeit und Gemeinschaft“
Regisseurin Natja Brunckhorst über „Zwei zu eins“ – Gespräch zum Film 07/24
„Alles ist heute deutlich komplizierter geworden“
Julien Hervé über „Oh la la – Wer ahnt denn sowas?“ – Gespräch zum Film 03/24
„Versagen ist etwas sehr Schönes“
Regisseur Taika Waititi über „Next Goal Wins“ – Gespräch zum Film 01/24
„Ich muss an das glauben, was ich filme“
Denis Imbert über „Auf dem Weg“ – Gespräch zum Film 12/23
„Ich hatte bei diesem Film enorm viel Glück“
Tarik Saleh über „Die Kairo Verschwörung“ – Gespräch zum Film 04/23
„Ich wollte das damalige Leben erfahrbar machen“
Maggie Peren über „Der Passfälscher“ – Gespräch zum Film 10/22
„Ich wollte das Geheimnis seiner Kunst ergründen“
Regina Schilling über „Igor Levit – No Fear“ – Gespräch zum Film 10/22
„Migration wird uns noch lange beschäftigen“
Louis-Julien Petit über „Die Küchenbrigade“ – Gespräch zum Film 09/22
„Die Wüste ist ein dritter Charakter im Film“
Stefan Sarazin über „Nicht ganz koscher – Eine göttliche Komödie“ – Gespräch zum Film 08/22
„Diese Generationenkonflikte kennen viele“
Katharina Marie Schubert über „Das Mädchen mit den goldenen Händen“ – Gespräch zum Film 02/22
„In der Geschichte geht es um Machtverhältnisse“
Bettina Oberli über „Wanda, mein Wunder“ – Gespräch zum Film 01/22
„Wir wollten kein langweiliges Biopic machen“
Regisseur Andreas Kleinert über „Lieber Thomas“ – Gespräch zum Film 11/21
„Gustave Eiffel war seiner Zeit voraus“
Martin Bourboulon über „Eiffel in Love“ – Gespräch zum Film 11/21
„Richtiges Thema zur richtigen Zeit“
Sönke Wortmann über „Contra“ – Gespräch zum Film 10/21
„Wie spricht man mit einem Kind über den Tod?“
Uberto Pasolini über „Nowhere Special“ – Gespräch zum Film 10/21
„Seine Kreativität lag lange im Verborgenen“
Sonia Liza Kenterman über „Der Hochzeitsschneider von Athen“ – Gespräch zum Film 09/21
„Du denkst, die Erde bebt“
Regisseurin Anne Zohra Berrached über „Die Welt wird eine andere sein“ – Gespräch zum Film 08/21
„Ich würde so gerne gehen. Aber ich weiß nicht, wohin.“
Produzentin Bettina Wente über „Nahschuss“ – Gespräch zum Film 08/21
„Es geht bei Fassbinder um Machtstrukturen“
Oskar Roehler über „Enfant Terrible“ – Gespräch zum Film 10/20
„Familienfilm mit politischer Haltung“
Dani Levy über „Die Känguru-Chroniken“ – Gespräch zum Film 03/20
„Nicht alles erklären“
Patrick Vollrath über „7500“ – Gespräch zum Film 01/20
„Corinna Harfouch ist eine Klasse für sich“
Jan-Ole Gerster über „Lara“ – Gespräch zum Film 11/19
„Der Film brauchte eine Bildgewalt“
Christian Schwochow über „Deutschstunde“ – Gespräch zum Film 10/19
„Das Thema war in der DDR absolut tabu“
Bernd Böhlich über „Und der Zukunft zugewandt“ – Gespräch zum Film 09/19