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Venedig als Geschäftsmodell

29. November 2012

Regisseur Andreas Pichler über seinen Film „Das Venedig Prinzip“ – Gespräch zum Film 12/12

Andreas Pichler wurde 1967 in Bozen in Italien geboren. Er studierte Film in Bologna und Philosophie in Berlin. Seit Ende der 90er Jahre hat er zahlreiche Fernseh- und Kinodokumentationen gemacht.

engels: Herr Pichler, wie sind Sie auf die zum Produkt degradierte Stadt Venedig als Thema Ihres Films gekommen?

Andreas Pichler: Venedig steht für mich für Gentrifizierung hoch zehn. Ich finde es unheimlich, was in vielen europäischen Städten und Orten seit einigen Jahren durch den Tourismus und die Immobilienspekulation passiert. Venedig ist für mich so etwas wie ein Sinnbild dieser Entwicklung. Außerdem kenne ich die Stadt recht gut, weil ich nicht allzu weit entfernt davon lebe.

Und wie haben Sie unter den 58.000 Bewohnern Ihre Protagonisten gefunden?

Ich hatte anfangs thematische Kriterien, nach denen ich begonnen habe, meine Protagonisten zu suchen. Letztlich aber ist die Auswahl wesentlich davon bestimmt, wie stark die Figuren sind und welche Beziehung ich mit ihnen aufbauen kann; Authentizität ist für mich auch ein wichtiges Kriterium. Und mir war wichtig, einen gewissen Humor und diese venezianische Direktheit und Derbheit in den Film zu bringen, die die wenigsten kennen.

Sie lassen vor allem betroffene Anwohner sprechen, aber außer dem kurzen Statement des Hafenchefs gibt es keine Stimmen der Administration. Warum?

Mir ging es in erster Linie darum, den inneren und äußeren Verfall der Stadt über die Einwohner zu erzählen – sozusagen über ihr eigenes Schicksal. Diese Sicht von unten ließ Interviews mit Experten, die ich im Vorfeld geführt hatte, nicht zu. Außerdem finde ich, dass Verwalter und Politiker selten interessante Argumente für ihr Handeln haben. Der ehemalige Bürgermeister Cacciari hat auf meine Anfrage nach einem Interview hin abgewunken: Er habe doch schon alles zu Venedig gesagt.

Ihr visueller Blick auf die Stadt ist vielstimmig: Sie zeigen Alltagsszenen der Einwohner ebenso wie das typische Tourismustreiben. Und Sie zeigen stimmungsvolle Bilder, die an große Spielfilme erinnern lassen. War Venedig nicht immer schon eher Projektion für alles Mögliche als eine normale Stadt?

Natürlich war die Stadt immer schon eine Projektionsfläche wie keine andere. Dies macht nach wie vor ihre Faszination aus. Sie ist ja auch als Bühne gebaut. Auch heute kann man in Venedig, wie in einer Zeitreise, alle möglichen Stimmungen und Bilder erleben. Das Problem aber ist, dass diese Klischees von Venedig als Geschäftsmodell alles andere unter sich begraben, letztlich auch den Lebensraum der Einwohner. Das Paradoxe ist aber, dass gerade die Tatsache, dass hier auch immer Menschen gelebt haben, Teil der Faszination der Stadt ist.

Sie machen Filme für Fernsehen und Kino. Worin unterscheidet sich die Dokumentarfilmarbeit für die beiden Formate?

Bei Kinoprojekten arbeitet man genauer, länger und präziser. Der Rhythmus der Filme ist natürlich auch ein ganz anderer. Man braucht für ein Kinoprojekt einen langen Atem. Letztlich aber sind es bestimmte Themen, die sich fürs Kino eignen, während andere eher ins Fernsehen gehören.

Arbeiten Sie bereits an einem neuen Projekt?

Ich arbeite an einem Spielfilm. Darin geht es auch um Heimat. Aber diesmal aus der Sicht von jungen Leuten in Berlin und ihrer Vergangenheit.

INTERVIEW: CHRISTIAN MEYER

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