Es ist ein Atmen und Keuchen, das über die gesamten 90 Minuten immer wieder zu hören ist. Das pulsierende Begehren zwischen Lust und Leidenschaft wird zum Thema von „ARIADNEamore“, der neuen Choreographie von Emanuele Soavi. Über Jahre hinweg hat Soavi die Tanzszene Nordrhein-Westfalens bereichert, die neue Produktion feierte nun in Ludwigshafen Premiere. Dort gab es großzügige Unterstützung, aber auch das Land NRW und die Stadt Köln leisteten Förderung, für die Aufführungen in Aachen, während des Festivals schrit_tmacher in Köln in der Alten Feuerwache und in Duisburg im Oktober mit den Duisburger Philharmonikern. Dass dieses Geld nicht in den Sand gesetzt ist, sondern Zinsen bringt, in dem es Künstlern die Möglichkeit bietet ihre Arbeit erfolgreich zu entwickeln, demonstriert diese Produktion beispielhaft. Innerhalb seines Antikenprojekts, das mit DAEDALUS begann und sich im „PANkomplex“ fortsetzte, überzeugt die dritte Choreographie vor allem durch ihre inhaltliche Stringenz.
Diese dramaturgische Entschlossenheit kommt der antiken Gestalt der Ariadne entgegen, einer Göttin, die Klugheit mit Leidenschaft verbindet. Sie liebt und begehrt und gewinnt mit ihrer Verwundbarkeit menschliche Züge. Interessanterweise bewegt sich die Handlung zum großen Teil nach den spektakulären Ereignissen der Tötung des Minotaurus und der Liebe zwischen Ariadne und Theseus, dem sie mit einem Faden die Orientierung durch das Labyrinth der Welt gewährte. Hier vereinigt sich das Paar und doch stillt keine Liebe alle Sehnsüchte, Ariadne verliert Theseus und so bleibt eine leidende Göttin zurück. Unablässig wird während der 90 Minuten getanzt und dabei ist die umfangreiche Choreographie doch so kontrolliert gehalten, dass jede Geste und jeder Auftritt streng auf die Geschichte und ihre Symbolwelt bezogen bleibt. Keine Ornamente, das steigert die Konzentration und die Intensität. Starke Performer stehen mit Nagmeh Alaei, Federico Casadei, Francesca Martignetti, Francesca Poglie, Amir Rappaport, Nora Vladiguerov und Lisa Kirsch auf der Bühne. Wobei Lisa Kirsch zu den neuen prägenden Gesichtern der Szene gehört. Bei Georg Reischl, Silke Z. und zuletzt Reut Shemesh setzt ihre dramatische Ausstrahlung Akzente.
Soavi verwebt ein komplexes Bild der Frau, eine Huldigung, die ohne Kitsch auskommt. Der weibliche Körper inspiriert ihn zu immer neuen Bildern, archaische Szenen der Konkurrenz gelingen ihm ebenso, wie Momente weiblicher Solidarität. Die Begegnungen der Frauen bilden bald eine eigene Welt, in der sie selbst die Ideologie geschlossener Systeme, wie auch deren revolutionären Aufbruch zeigen. Die Theatralik wird durch vitalen Realismus geerdet, motivisch spielen die Brüste und das lange Haar eine Rolle.
Eine der Stärken dieser Choreographie liegt in Soavis Einfallsreichtum, mit dem er Szenen im Bild verdichtet aber auch aufzulösen versteht. Hier wird alles aus dem Tanz heraus entwickelt, es braucht keine Texte, kein Schauspiel, nur die Musik von Wolfgang Voigt, Stefan Bohne und die Bearbeitung von Monteverdis „Lamento di Arianna“, die immer da ist und das Meer, als ewigen Beweger von Sehnsucht und Begehren, präsent hält. Diese Ariadne ist Königin und Hure und sie ist Mutter und Geliebte, nicht als Gegensätze, sondern als eine Gestalt, die aufgesplittert wird in die Aktionen der Tänzerinnen. Sie ist eine Verführte und eine Verführerin. Soavi beweist, dass keine der Künste das immerwährende Locken und Sich Verzehren als eine energetische Bewegung so unmittelbar zu formulieren versteht, wie der Tanz.
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