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Von links nach rechts: Michael Kranz (Benjamin, der Bestatter), Mathilde Bundschuh (Elaine), Pia Strietmann (Autorin und Regisseurin)
Foto: Verleih, A. Huber

Wege der Trauer

25. Januar 2012

Regisseurin Pia Strietmann zu ihrem Kinodebüt „Tage die bleiben“ – Gespräch zum Film 01/12

Pia Strietmann, Jahrgang 1978, schuf mit ihrem Familiendrama „Tage die bleiben“ eine feinsinnige Tragikomödie, in der es um Tod, Trauer und um das Erwachsenwerden einer Familie geht. Facettenreich, tief bewegend und dicht komponiert ist ihr erster langer Spielfilm, der bereits auf nationalen und internationalen Filmfestivals mit Preisen ausgezeichnet wurde. Dazu gehören beispielsweise der Deutscher Regiepreis Metropolis 2011 in der Kategorie “Nominierung beste Nachwuchsregie“, und der “Publikumspreis“ auf der Filmkunstmesse Leipzig 2011. choices sprach mit der Regisseurin bei der Premiere.

engels: Vordergründig geht es um das Thema Tod und Verlust. Doch Ihr Film erzählt zwei Geschichten, den Tod der Mutter und gleichzeitig die einer voneinander entfremdete Familie. War das eine Thema notwendig für das andere?
Pia Strietmann:
Die Idee war vor allem, durch den Tod der Mutter eine Familie erwachsen werden zu lassen. Und beim Drehbuchschreiben war auch ganz früh die Struktur der drei Familienmitglieder klar, die alle unterschiedliche Trauerwege gehen, und eben nicht gemeinsam um die Mutter trauern. Eigentlich denkt man ja, dass man bei einem solchen Schicksalsschlag als Familie zusammenrückt, und steht das gemeinsam durch. Und genau das aber erfahren diese drei: Dass sie eben keine Familie mehr sind: obwohl sie jetzt zusammenhalten könnten/ müssten, stellen sie fest, dass diese Familie gar nicht existent und nicht stabil genug ist. Dass sie genau das lernen, war ganz früh die Idee bei dem Film.

Der Film hat eine sehr prominente Schauspielerbesetzung. Wie haben Sie dem Team genau nahegebracht, was Sie umgesetzt haben wollen? Denn es geht ja um ein sehr persönliches Thema.
Wie eben Mathilde Bundschuh im Publikumsgespräch schon sagte, hat die Arbeit zwischen Team und Regisseur ganz viel mit Vertrauen zu tun. In der Vorbereitung habe ich den Schauspielern ganz viel von mir erzählt, wie es mir damals ging, beim Verlust meines Vaters. Um Offenheit und den Zugang zu Gefühlen zu bekommen, die sie vielleicht selber nicht kennen. So verstanden sie, was ich meinte, wenn wir an den Figuren arbeiteten. Das macht ja Schauspielarbeit aus. Und wir konnten an den Nuancen arbeiten.

Der Film wurde vor der Finalisierung schon einem Publikum gezeigt. Wie waren da die Reaktionen? Wurde anschließend von den Zuschauern thematisiert, dass der Umgang mit dem Tod ein Tabuthema ist, wurde darüber diskutiert?
Die Leute hatten nach dem Film oft das Gefühl, sie würden mich kennen, und sind mir mit großer Offenheit entgegengetreten. Sie haben mir zum Teil ihre Erfahrungen erzählt, und wir konnten gemeinsam über diese Schmunzel-Situationen lachen, die in solchen Tagen entstehen. Zum Beispiel: „Was ziehe ich bloß auf der Beerdigung an“, was ja an sich gar nicht komisch ist, aber eben zeigt, wie sehr man neben sich steht, dass man sich darüber Gedanken macht. Wenn der Film bewirkt, dass Leute sich darüber austauschen, sich über diese Zeit zwischen Tod und Beerdigung eines Angehörigen auch locker unterhalten können, mit einem Schmunzeln, dann ist erreicht, was wir wollten. Dass man sich eben nicht nur in schwere Problemgespräche zurück zieht, sondern das man offener, auch auf eine unterhaltsame Art und Weise darüber spricht.

Haben Sie für die Entwicklung des Drehbuchs auch mit anderen Menschen in ähnlichen Situationen gesprochen, um unterschiedliche Facetten, Trauerwege aufzugreifen?
Eigentlich nicht. Ich habe zum Beispiel mit Andreas Spiegel, der den Sarg für den Film entworfen hat, gesprochen. Denn ich habe gemerkt, dass ich bei Menschen, die auch jemanden verloren haben, den Drang hatte, mit ihnen über den erlittenen Verlust zu reden. Es ist zwar eine Hemmschwelle da, aber ich habe dann gemerkt, dass es gut ist zu reden, dass man eben über Situationen auch schmunzeln kann. Andreas hat mir erzählt, dass er bei Särgen mal gedacht hat: „Wie kann es sein, dass alles modernisiert, alles stylischer wird, nur Särge sehen immer noch aus wie vor 500 Jahren?“ Und irgendwann hat er mit einem Designer überlegt, wie sähe denn ein moderner Sarg aus? Mit ihrem Sarg (im Film rot-metallisch-glänzend, Anm. d. Red.) haben sie dann sogar einen Red-Dot-Award gewonnen. Gespräche mit Andreas waren sehr kräftegebend, haben mich auch inspiriert. Es war seine Art, mit der Trauer umzugehen. Genauso habe ich meine Art gefunden, damit umzugehen. Es gibt eben nicht „die eine, richtige Art“, wie man mit Trauer umzugehen hat. Jeder Mensch hat seine.

Haben Sie schon ein neues Filmprojekt?
Noch nichts Konkretes. Aber mit Sicherheit wieder ein Thema, bei dem eine Gratwanderung da ist, ein sehr ernstes Thema, das aber doch an vielen Stellen durch Lockerheit und vielleicht Witz überrascht.

Nathalie Caesar

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