Obwohl Greta Gerwig 1983 im kalifornischen Sacramento geboren wurde, gilt sie heute als eine der profiliertesten Schauspielerinnen und Autorinnen New Yorks. Die Woody-Allen-Verehrerin glänzte in Filmen wie „Greenberg“, „Freundschaft plus“ oder in Allens „To Rome with Love“, bevor sie sich mit „Frances Ha“ eine Titelrolle auf den Leib schrieb und ihren internationalen Durchbruch feierte. Nach „Mistress America“, für den sie ebenfalls das Drehbuch schrieb, und „Wiener Dog“ folgt nun eine weitere Titelrolle in Rebecca Millers „Maggies Plan“, der ab 4. August bei uns im Kino anläuft.
engels: Miss Gerwig, was dachten Sie, als Rebecca Miller Sie engagierte, die Titelrolle in ihrem neuen Film „Maggies Plan“ zu spielen?
Greta Gerwig: Es ist mir immer ein wenig peinlich, eine Figur zu spielen, die auch im Titel des Films vorkommt. Nach der Drehbuchlektüre war mir schon klar, dass es die wichtigste Rolle des Films sein würde. Aber ich wusste nichts über das herausragende Ensemble, das Rebecca für den Film engagieren würde. Alle anderen Schauspieler sagten nach mir zu, und ich hatte es getan, weil ich unbedingt einen Film mit Rebecca machen wollte, weil ich ihre Filme liebe und sie bewundere. Das Drehbuch gefiel mir auch sehr gut, aber ich treffe meine Entscheidungen zumeist aufgrund des Regisseurs. Als mir Rebecca sagte, wer alles noch mitspielen würde, fragte ich sie, ob sie nicht auch für die Titelrolle jemand bekannteres engagieren wolle. Ich empfand es als große Ehre, mit diesen tollen Kollegen arbeiten zu dürfen.
Man bekommt den Eindruck, dass die Freundschaften auf der Leinwand wirklich echt sind...
Rebecca und Julianne Moore sind in der Tat schon seit Jahren befreundet, genauso Julianne und Maya Rudolph. Bill Hader wiederum kannte Maya, das ergab wirklich eine Art Gruppe von Leuten, die sich kannten. Und weil ich jede Menge Vorbereitungszeit hatte, bevor wir mit den Dreharbeiten begannen, konnte ich mich dann auch als Teil dieser Welt fühlen. In New York wohnen die meisten ohnehin sehr dicht beisammen, zwischen meiner Wohnung und der von Rebecca Miller liegt gerade einmal ein Block, wir sind praktisch Nachbarn. Das wusste ich nicht, aber jetzt schon, weswegen ich nun ganz gerne einfach mal so bei ihr hereinschneie.
Die Figuren im Film bilden ihr Leben in ihrer Kunst ab. Trifft das auch auf die Darsteller zu, gibt es echte Momente aus deren Leben in der Fiktionalisierung?
Das Drehbuch war schon fix und fertig, als ich es zu Lesen bekam, und ich hatte Rebecca noch nie zuvor getroffen. Und doch gab es da etwas Echtes, nämlich die Art, wie sie Maggies Wohnung im Drehbuch beschreibt, wie die eines Poeten, in der sich die Bücher vom Boden bis unter die Decke stapeln. Als ich das las, bat ich Rebecca, sich mein Studio-Appartement anzuschauen, weil es genauso aussieht. Sie bestätigte das, als sie zum ersten Mal bei mir war, denn es sah dort genauso aus, wie sie es sich für ihren Film vorgestellt hatte, obwohl wir einander nicht kannten! Das ist nicht unbedingt ein Beispiel, wie das Leben die Kunst imitiert, die das Leben imitiert, sondern eher eine günstige Fügung und Glück, dass es so viele Parallelen zwischen ihren Vorstellungen und meinem Leben gab. Wir waren einfach dazu bestimmt, diesen Film zu drehen.
Sie dürfen in dem Film auch wieder tanzen...
Ja, ich weiß, ich tanze in jedem Film! In meinem nächsten Film tanze ich übrigens auch wieder ziemlich viel. Ich bin da recht eigennützig, denn ich liebe es, zu tanzen, und ich habe immer davon geträumt, Tänzerin zu werden. Filme sind für mich die Möglichkeit, diesen Traum zu leben.
Verändert sich momentan die Vorstellung, die man von einer Familie hat, oder ist das nur der Blickwinkel einer weiblichen Regisseurin auf diese Thematik?
Ich wuchs in einer Familie auf, in der mein Bruder und meine Schwester adoptiert waren, ich aber nicht. Meine Eltern definierten Familie immer als die Personen, die man liebt und um die man sich kümmert. Das hat nichts mit einer Kernfamilie zu tun, woher man kommt oder mit wem man verheiratet ist. Es geht eher darum, sich diejenigen auszusuchen, die einem wichtig sind. Das verändert sich in der Gesellschaft schon. Eine Freundin von mir hat zwei Kinder, die sie von einem Samenspender bekommen hat, aber sie hat keinen Ehemann. Genau wie Maggie im Film hatte sie mit 35 Jahren noch nicht den Richtigen gefunden, wollte sich bei der Suche aber auch nicht zu sehr unter Druck setzen. Sie wollte zwei Kinder, damit sie zusammen aufwachsen können. Sie war auch sehr praktisch veranlagt, denn sie hatte einen guten Job als Lehrerin und wusste, dass sie in den Sommerferien frei haben würde. So hat sie alles ganz genau durchgeplant. Bei den Menschen um mich herum hat Familie die unterschiedlichsten Bedeutungen, und meiner Meinung nach war meine Familie schon immer verschieden von anderen. Ich glaube, dass Menschen heute anders leben und dass die Kunst das abbildet.
Könnten Sie sich auch vorstellen, alleine Kinder aufzuziehen?
Natürlich ist es toll, wenn man einen Partner hat. Es ist fantastisch, wenn man zu zweit eine Familie gründet. Aber ich glaube nicht, dass das notwendig ist. Es ist aber auch nicht notwendig, Kinder zu haben, um auf bedeutsame Weise in eine Familie eingebunden zu sein. Man kann auch eine hingebungsvolle Tante sein, oder einfach eine wichtige Person im Leben der Kinder seiner Freunde. Wenn ich keinen Partner hätte und Kinder wollte, könnte ich mir schon selbst behelfen. Es ist vielleicht nicht ganz so einfach, aber es ist möglich. Wenn es so wäre, würde ich mich wohl genauso wie Maggie entscheiden.
Ist die Art des Humors im Film typisch für New York oder einfach nur sehr stark von Woody Allen beeinflusst?
Für jeden, der in New York Filme dreht, stellt Woody Allen meiner Meinung nach einen unschätzbaren Einfluss dar, schon allein durch die Tatsache, wie er die Stadt cineastisch dargestellt hat. Da er so viele Filme in New York gedreht hat, ist es schlichtweg unmöglich, dabei nicht von ihm beeinflusst zu werden.
Hinsichtlich der Tonalität des Films und seiner Figuren könnte man auch den Eindruck bekommen, Sie selbst hätten das Drehbuch geschrieben...
Ich weiß, habe ich aber nicht (lacht). Ich interessiere mich für Menschen und wie sie mit ihrem Leben klarkommen. Wenn ich ein Drehbuch schreibe, geht es deswegen meist um so etwas. Rebecca Miller dreht auch Filme über Menschen, über Familien und Beziehungen. Natürlich habe ich auch Filme mit anderen Themen gedreht, aber, wenn ich ein Drehbuch schreibe, dann sind das eben auch bei mir die Themen, die mich interessieren.
Arbeiten Sie derzeit wieder an einem eigenen Projekt?
Ja, ich führe in diesem Sommer Regie bei einem Film, für den ich das Drehbuch geschrieben habe. In „Ladybird“ wird Saoirse Ronan die Hauptrolle spielen. Sie ist mein Mädchen, sie ist toll, und ich bin sehr glücklich, dass ich sie bekommen habe. Ich kann es nicht erwarten, dass die Dreharbeiten mit ihr beginnen. Es geht natürlich um Frauen, das interessiert mich eben.
Ihre Partnerin im Film ist die Komikerin Maya Rudolph. Empfinden Sie sich selbst auch als komisch?
Nein, ich halte mich nicht für komisch. Aber ich liebe es ungemein, mit komischen Menschen zusammen zu sein. Deswegen war ich auch schon auf dem College immer in den Comedy- und Improvisationsgruppen, nicht etwa, weil ich darin so gut gewesen wäre, sondern weil ich mich mit den ganzen Komikern um mich herum sicher fühlte. Ich lache sehr gerne und weiß ihre Komik zu würdigen. Es gefällt mir, dass im Hirn eines Komikers völlig unvereinbare Dinge miteinander in Verbindung gebracht werden.
Wie war die Zusammenarbeit mit Ethan Hawke?
Ethan ist großartig! Er ist unglaublich kreativ und hat wahnsinnig viele Ideen. Manche Leute sind verärgert, wenn sie Ideen haben und diese dann nicht umgesetzt werden. Ethan ist nicht so. Wenn er fünfzig Ideen in eine Szene einbrachte und Rebecca nur zwei davon übernahm und den Rest wieder verwarf, war das für Ethan auch okay. Er nimmt ständig, genau wie Julianne Moore, am Prozess des Filmemachens aktiv teil. Weil Ethan durch seine Arbeit mit Richard Linklater schon so viele Figuren erschaffen hat, ist er für mich genau so sehr Filmemacher wie Schauspieler.
Haben Sie für Ihr eigenes Leben auch einen Plan oder sind Sie eher eine spontane Person?
Sowohl als auch. Ich habe einen inneren Kompass, der in eine bestimmte Richtung zeigt, weil ich eine ungefähre Ahnung davon habe, was ich machen und noch erreichen will. Aber ich bin Dingen, die dazwischenkommen oder in eine andere Richtung führen, auch sehr aufgeschlossen gegenüber. Also wird mein Plan immer wieder überarbeitet. Weil ich auf so vielen verschiedenen Ebenen zu tun habe, versuche ich, mich an einen ziemlich strikten Zeitplan zu halten, aber wenn etwas dazwischenkommt oder mich jemand spontan einlädt, mit ihm in eine Picasso-Ausstellung zu gehen, wird der Zeitplan einfach umgeworfen. Also glaube ich, dass ich ein sehr durchgeplanter Mensch bin, der seinen Plan aber immer wieder anpasst.
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