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Frank Luschei
Foto: Institut für Gerontologie, TU Dortmund

„Alle Altersstufen können voneinander profitieren“

28. Juni 2018

Diplom-Psychologe Frank Luschei über Altershürden, Mehrgenerationen-WGs und bürgernahe Stadtentwicklung

engels: Herr Luschei, wer schon mal einen Anzug zur Alterssimulation getragen hat, merkt: Im Alter leiden wir unter Hürden. Welche?
Frank Luschei: Diese Hürden umfassen die Einschränkung von allgemeinen körperlichen Fähigkeiten, vor allem bei der Bewegung, und auch die Veränderungen im sozialen System. Soll heißen, solange Ehepaare in ihrer Wohnung oder ihrem Haus wohnen, und es da keine Veränderungen gibt, solange sind soziale Veränderungsprozesse bei Personen auch nicht sehr stark beobachtbar. Wenn allerdings einer von beiden Ehepartnern stirbt, ändern sich vor allem die sozialen Bezüge sehr stark. Das ist ein wichtiges Merkmal von Veränderungen im höheren Alter. Soziale Kontakte spielen in allen Altersstufen eine wichtige Rolle, aber ganz besonders bei älteren Menschen, weil man im höheren Alter oftmals auf Hilfeleistungen aus dem sozialen Umfeld angewiesen ist. In der Regel erledigen das die Paare untereinander. Das, was der eine nicht mehr so gut kann, da hilft der andere Partner. Zum größeren Problem kommt es eher dann, wenn ein Partner wegbricht. Da erlangt dann das soziale Hilfesystem eine sehr große Rolle, insofern, als andere dann diese Hilfen übernehmen können.

Was brauchen ältere Menschen?
Wichtig sind soziale Kontakte, die sich aber auch schon im mittleren Alter bilden oder aufrecht erhalten werden. Wenn man sich oft mit anderen Menschen trifft, mit Gleichgesinnten, Menschen, mit denen man ein gemeinsames Hobby hat, dann werden diese Kontakte weiter geführt. Wenn man die aber in einem jüngeren oder mittleren Alter nicht hat, ist es schwierig, diese sozialen Kontakte neu aufzubauen. Das ist ein ganz wichtiger Punkt. Deshalb sind in höheren Altersstufen Möglichkeitsräume wichtig, also Räume oder Gelegenheiten, die nicht physisch sein müssen, in denen man sich mit Menschen, die ähnliche Interessen haben, treffen und diese sozialen Kontakte pflegen kann. In Städten und Gemeinden wären das z.B. sogenannte Senioren-Cafés.

Sind die Städte auf die Bedürfnisse älterer Menschen vorbereitet?
Das ist durchaus unterschiedlich. Zunächst einmal ist es wichtig zu sehen, dass sich die 396 Städte und Gemeinden in NRW höchst unterschiedlich entwickeln. Es gibt welche, in denen die Bevölkerungszahl nach wie vor steigt und andere schrumpfen schon seit vielen Jahren wie Altena beispielsweise. Das heißt, die Ausgangslagen sind höchst unterschiedlich. Altena ist eine der Städte in NRW, die von der Gesamtbevölkerungszahl her schrumpft im Gegensatz z.B. zu Mechernich. Das ist eine Stadt, die in den letzten Jahren sehr stark gewachsen ist. Wenn man auf diese höchst unterschiedliche Ausgangslage angemessen reagieren will, dann muss man diese zunächst genauer analysieren: Wie ist die Lage der Stadt insgesamt oder auch wie ist die Lage des Stadtteils, für den man sich besonders interessiert. Nicht nur die Unterschiede zwischen Städten und Gemeinden sind sehr groß, sondern auch innerhalb von Städten. In Wuppertal beispielsweise gibt es Stadtteile, die einen großen Anteil an Eigenheimbesitzern haben, denen Stadtteile gegenüberstehen mit einem hohen Mietwohnungsbau.

Wie könnten wir Synergien zwischen Jung und Alt nutzen?
Alle Altersstufen können voneinander profitieren. Die Jüngeren können den Älteren etwas beibringen. Klassisches Beispiel: Wie funktioniert ein Smartphone und wie verschickt man damit Bilder und E-Mails. Umgekehrt können Jüngere vom Erfahrungsschatz der Älteren profitieren. In einigen Städten und Gemeinden gibt es Gruppen von Älteren, sogenannte Business Angels, die Jüngere beim Einstieg ins Berufsleben unterstützen. Wichtig ist, solche Möglichkeitsräume zu schaffen, wo es zum Einen diese Begegnungen zwischen Jüngeren und Älteren überhaupt geben kann und in denen die jeweils Beteiligten sich ihre Inhalte selbst aussuchen können. Der eine interessiert sich vielleicht für Technik, ein anderer für etwas vollkommen anderes. Die Unterschiedlichkeit der Interessen jeweils abbilden zu können und sie in diesen Begegnungsräumen tatsächlich ausleben zu können, ist ein wichtiger Punkt. Die Vorgabe von starren Mustern, wie sie Stadtplaner vermehrt anwenden, die ganz konkrete Maßnahmen planen, ist zwar immer eine gute Sache, nur man weiß dabei nie, ob das den Bedarf der Zielgruppen trifft. Deshalb ist auch die Bürgerbeteiligung so wichtig, die Menschen frühzeitig mit einzubeziehen. Allein in Bürgerbeteiligungsprozessen mit Jüngeren oder Älteren entstehen in der Debatte solcher Punkte Möglichkeitsräume, in denen es überhaupt zu einer Diskussion kommen kann. Selbst, wenn man am Ende damit nichts erreicht hat, ist das Diskutieren darüber ein wichtiger, positiver Effekt.

Wird es mehr Mehrgenerationen-WGs geben?
Ziemlich sicher sogar. Häufig ist es im höheren Alter so, dass sich viele mit einem zu großen Eigenheim wünschen, sich daraus zu verabschieden und in eine barrierefreie oder -arme Umgebung umzuziehen. Und oftmals werden die Angebote so geplant, dass sie sowohl für die Jüngeren als auch für die Älteren eine gute Wahl wären. In der Hoffnung, dass es zu einem verstärkten Austausch zwischen Jung und Alt kommt und beide Generationen voneinander profitieren können. Konflikte zwischen Generationen sind nichts Ungewöhnliches. Die gab’s ja schon immer. Deshalb ist es auch so wichtig, diese positiven Effekte, die das Zusammenleben ausmacht, zu ermöglichen und die Einzelnen daran zu beteiligen.

Eigent sich der heutige Wohnungsmarkt dafür?
Gerade im Bereich der Wohnungsplanung sind häufig entsprechende Angebote nicht so ganz zielgruppengerecht. Kleinere oder mittelgroße Wohnungen in einem relativ hochpreisigen Segment werden relativ viele gebaut und damit an den Bedürfnissen mancher Menschen vorbei. Offensichtlich gibt es hier einen Bedarf für diese eher hochpreisigen Wohnungen. Gleichwohl ist es auf Ebene der Kommune wichtig, diejenigen, die sich das nicht leisten können, nicht zu vergessen. Dass es nicht nur Kleinere oder mittelgroße Wohnungen im höheren Mietbereich gibt, sondern auch im mittleren Mietbereich und auch eine gute Mischung von Wohnungsgrößen im Quartier. Sodass es die Möglichkeit gibt, dass der klassische Ein- oder Zweifamilien-Haushalt darin leben kann, ebenso wie der Familienhaushalt mit ein, zwei oder drei Kindern.

Ältere Menschen sagen oft, sie hätten schon alles, was sie bräuchten. Werden Konsumtempel durch den demografischen Wandel überflüssig?
Da sind die Erfahrungen durchaus unterschiedlich. Die einen sagen, sie haben schon alles und konsumieren nicht mehr viel. Und dann gibt es die anderen, gerade die jungen Alten, die man mit entsprechenden Angeboten auch bedienen will. Sie sind ebenfalls eine wichtige Zielgruppe. Ein richtig oder falsch, was den Konsum betrifft, gibt’s da nicht. Was es zusätzlich zu den Konsumtempeln in Städten geben kann, wären Randangebote. Dann hat man über das reine Einkaufen die Möglichkeit, sich bei einem guten Bäcker auf eine Bank zu setzen und sich dort mit anderen Leuten treffen. Insofern ist eine Stadt dann nicht nur ein Einkaufsort, sondern auch ein Kommunikationsort.

Vorbild Spanien: Dort gibt es viele öffentliche Plätze, gesäumt von Bänken, auf denen Ältere sitzen und sich austauschen.
Der konsumfreie Aufenthalt in Städten ist oftmals ein Problem, weil man hier oft mit einem spezifischen Problem konfrontiert ist. Die klassische Bank, die an einer schönen Stelle in der Stadt herumsteht, wo im Idealfall der Senior sitzt und sich mit seinen Enkeln oder Jüngeren unterhält, steht oftmals der Befürchtung von Stadtplanern gegenüber, dass zu anderen Zeiten Menschen darauf sitzen, die man nicht unbedingt in der Stadt haben will, z.B. Obdachlose. Bei Stadtplanern, die sich mit diesem Dilemma konfrontiert sehen, kommt dann häufig der Gedanke auf, dass man eine Bank eher weglässt. Im Kontext zu Aufenthaltsräumen für Ältere ist das bedauerlich. Wenn sie weite Strecken vielleicht nicht mehr gehen können, dann gibt es nicht genug Bänke, auf denen sie sich zwischendurch erholen können. Über dieses Dilemma muss man debattieren.


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zwar-wuppertal.info | ZWAR – Zwischen Arbeit und Beruf, das sind diverse lose organisierte Gruppen und offen für alle Menschen 50+, aktiv Zeit miteinander zu verbringen.
seniorenaktiv.net | Der PHW Paritätische Hilfe e.V. bietet für ältere Menschen im Raum Wuppertal Unterstützung und Angebote zur Freizeitgestaltung, Wohnraumberatung, Haus- und Krankenpflege.
bpb.de/politik/innenpolitik/demografischer-wandel/196911/fertilitaet-mortalitaet-migration | Guter Überblicksartikel der Bundeszentrale für politische Bildung zum Thema demografischer Wandel.

Die neuen Alten: Demografischer Wandel als Chance
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Interview: Nina Hensch

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