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Anne Milek erforscht, wann Handys Beziehungen stören
Foto: © Universität Witten/Herdecke

Dein Freund, das Handy

26. September 2023

Teil 3: Lokale Initiativen – Forschung zur Smartphone-Nutzung in Beziehungen an der Universität Witten/Herdecke

Der Gesprächspartner antwortet nicht, der Blick geht nur auf das Display. Eine Situation, die vermutlich jeder schon mal erlebt hat. „Phubbing“ wird so eine Handynutzung in der Wissenschaft genannt – eine Zusammensetzung aus der englischen Wörter „phone“ (Telefon) und „snubbing“, was so viel wie brüskieren bedeutet.

Was alltäglich klingt, kann negative Folgen für das Sozial- und Beziehungsleben haben, darauf deuten erste Studien hin.Mit Phubbing und dessen Auswirkungen beschäftigt sich auch Anne Milek, Professorin für Gesundheitspsychologie an der Universität Witten/Herdecke.„Mal ist das Smartphone störend, mal nicht, mal kann es auch Teil der Interaktion sein. Es geht nicht darum, den Teufel an die Wand zu malen“, so die Forscherin. Ab wann der Blick aufs Handy als unangemessen wahrgenommen wird, ist subjektiv sowie situationsabhängig.Phubbing bezieht sich jedoch auf den Ausschluss von Partnerin oder Partner durch das Handy, also auf das Handy als Störfaktor.

Mit dem Handy mithalten

Wer aufs Handy blickt, schließt seine Gegenüber aus. Das kann negative Emotionen hervorrufen, auch Wut oder Ärger. „Das Smartphone hat ein unglaublich hohes Ablenkungspotenzial“, sagt Milek, „da muss ein Gegenüber erstmal mithalten können“. Für eine Beziehung kann das Folgen haben. So könne das soziale Gefüge Schaden nehmen, für beide Seiten. Dabei lassen sich manche schneller ablenken als andere. Charaktereigenschaften wie Selbstkontrolle, eine Neigung zu Suchtverhalten oder etwa die Angst, etwas zu verpassen, spielen eine Rolle.

Auch langfristig kann Phubbing Paarbeziehungen verschlechtern. Allerdings ist die Forschung noch nicht weit fortgeschritten. Inwiefern sich Unzufriedenheit mit der Beziehung auf Phubbing zurückzuführen lässt, gilt es noch zu klären. „Viele Studien sind korrelativer Art“, so Milek. Sie stellen also nur einen Zusammenhang zwischen Unzufriedenheit mit der Beziehung und Smartphone-Nutzung her. Geklärt ist damit noch nicht das „Henne-Ei-Problem“, also die Art und die Richtung des Zusammenhangs. Sind Paare etwa unzufriedener, weil sie öfters unangebracht das Handy nutzen? Oder schauen sie öfters auf das Handy, weil sie unzufrieden mit der Beziehung sind? Das gelte es noch zu klären, so die Professorin. Naheliegend sei die Annahme, dass es in beide Richtungen geht.

Entgiften

Jeder sollte sich selbstkritisch hinterfragen, wie er oder sie mit dem Handy umgehen möchte, um nicht die Botschaft zu senden, „das Handy ist mir wichtiger als Du“. Da kann es durchaus helfen, das Handy einmal komplett wegzulegen oder bei wichtigen Gesprächen auszuschalten. „Gemeinsame Absprachen mit dem Partner oder innerhalb der Familie sind hier wichtig“, so Milek. Ein Trend geht jedoch auch zum gänzlichen Verzicht. Beim „digital detox“ („digitales Entgiften“) wird über einen längeren Zeitraum komplett das Handy verbannt. Eindeutige Belege, dass dies helfe, gebe es laut Milek bisher nicht. Manche Studien legten gar einen Kompensationseffekt nahe, der die digitale Auszeit also nachholt.

Ihren Beitrag zur Forschung wollen Anne Milek und ihr Team mit der bereits 2022 begonnenen Smartphone-Studie leisten. Sie begleitet Paare über einen kurzen Zeitraum und untersucht unter anderem ihre Smartphone-Nutzung im Alltag. Für die laufende Studie werden noch teilnehmende Paare gesucht.

 

DIGITAL UNVERBUNDEN - Aktiv im Thema

dji.de | Das staatlich finanzierte Deutsche Jugendinstitut untersucht „die Lebenslagen von Kindern, Jugendlichen und Familien sowie die damit zusammenhängenden sozialstaatlichen Angebote und Maßnahmen“.
iat.eu | Das in Gelsenkirchen ansässige Institut Arbeit und Technik forscht zu Arbeit und Wirtschaft, um einen Beitrag zu leisten für „nachhaltigen Wohlstand und Lebensqualität“.
igza.org | Das Institut für die Geschichte und Zukunft der Arbeit forscht zu Technik, Kommunikation sowie wirtschaftlicher und politischer Macht, um die Ergebnisse „für die Gestaltung zukünftiger Arbeitswelten nutzbar zu machen“.

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Leo Thomann

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