Was wären die Freien Szenen in NRW ohne Ausländer. Sie bringen frischen Wind in die Welt des hiesigen Theaters. Eine Erkenntnis, die von den unter dem Label Freihandelszone zusammenarbeitenden Kölner Theater- und Tanz-Ensembles schon vor neun Jahren in ein eigenes Format gegossen wurde. Seither lädt man im Herbst unter dem Titel „Globalize:Cologne“ Darstellende Künstler aus der ganzen Welt nach Köln ein. In diesem Jahr wartet das spannende Programm kurioserweise mit keinem einzigen Schauspieler auf. Das Theater löst sich immer mehr von vorgegebenem Textmaterial und wendet sich zum offenen Raum der Performance, in dem das Unerwartete geschehen kann.
Acht Gruppen werden vom 20. bis 24 Oktober am Rhein erwartet. Darunter das britische Künstlerduo Rotaza mit seiner Produktion „Etiquette“, die an einem Tisch im Café realisiert wird. Gegenstände liegen auf dem Tisch, aus ihnen wird sich ein wechselvolles Spiel zwischen den einzelnen Besuchern und der Performerin Silvia Mercuriali ergeben. Man könnte denken, intimer geht es nicht mehr. Weit gefehlt, der Bulgare Ivo Dimchev stellt in seinem „P project“ die Frage an das Publikum: Was würdest du tun für wieviel Geld? Durchaus mit Charme bezahlt er die Besucher in bar für Dinge, die er sie bittet zu tun. Selbstverständlich überlegt jeder, wo sind meine Grenzen?
Ebenfalls aus Bulgarien reist Alexander Manuiloff mit seinem Stück „Der Staat“ an. Auf einem Tisch liegt ein Stapel Briefe. Jeder dieser Briefe könnte der letzte eines Lebens sein. Für das Publikum wird es darum gehen, sie zu öffnen und zu erleben, welche Folgen sich aus der Frage nach der Verantwortung ergeben.
Einen Schauspieler benötigt weder die ukrainische Gruppe um den Performer Sashko Brama für ihr Punk-Rock-Spektakel „R + J“, in dem nicht nur akustisch die Fetzen fliegen, noch die belgische Gruppe TOF. In ihrer Produktion „Dans l'Atelier“ erschafft sich eine Puppe selbst. Man erlebt, wie Illusion aus dem Nichts entsteht, und wird selbst ein Teil der Verwandlung.
Dass es in diesem Jahr sehr spielerisch zugeht, demonstriert auch die Neuseeländerin Kate McIntosh, die in ihrer Produktion „All Ears“ Gegenstände an Flaschenzüge montiert, die von den Besuchern dann betätigt werden können. Aus den Bewegungen und Geräuschen ergibt sich eine Klangkomposition, die auch eine erzählerische Dimension enthält. Das Innerste des Menschen wollen die Japanerinnen Yuki Kawaguchi und Yoshimasa Ishibashi spürbar und vor allem sichtbar machen. Während ihrer Tanz-Produktion „MatchArtria“, die von den Teezeremonien inspiriert ist, hält jeder Besucher ein Herz in der Hand, das im Rhythmus des Herzens von Yuki Kawaguchi schlägt. Besucher und Performer sind sozusagen durch eine Nabelschnur miteinander verbunden.
An fünf Orten und in fünf Cafés wird das Festival über die verschiedenen Vororte Kölns hinweg verteilt sein. Nach jeder Vorstellung stellen die Gastgeber der Freihandelszone eine lange Tafel auf, an der gegessen und diskutiert wird. Denn die Künstler möchten einmal die Rollen tauschen, und die Gelegenheit nutzen, um ihr Publikum nach seinen Eindrücken zu befragen. Die Gesetze einer guten Performance besitzen halt immer die Tendenz, in der Realität fortgesetzt zu werden. Erst die elektrisierende Nähe zwischen Theater und Leben gibt den Projekten den entscheidenden Kick.
Globalize:Cologne | 20.-24.10. | Köln, div. Orte | www.freihandelszone.org
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