„Festivals“, so der Tanzmanager Klaus Dilger, „stellen per se ein Ereignis dar, dem gesellschaftliche Aufmerksamkeit zukommt. Diese Aufmerksamkeit hat der Tanz in Köln und Bonn verdient und leider noch immer bitter nötig“. Welche Bereicherung Festivals für die jeweilige Kulturszene darstellen, ist inzwischen hinlänglich bekannt: neue künstlerische Impulse, neue Zuschauer, neue Sichtweisen. Ganz zu schweigen vom kulturellen Renommee für die Kommune, wenn das Genre in seiner Vielfalt sichtbar gemacht wird. Immerhin tummeln sich in Köln und Bonn die Mehrzahl aller NRW-Ensembles der freien Tanzszene. Und an den städtischen Bühnen in Bonn ist mit der Highlight-Serie und mit den Tanzgastspielen in Köln noch ein Rest von der früheren Strahlkraft des Tanzes erhalten. Das zu bündeln, sichtbarer zu machen, zusammen zu führen und auch andere Initiativen einzubinden, ist die Absicht von Klaus Dilger und Achim Conrad. Unter ihrem neuen Label SEEDance (eine Verbindung von „see / sehen“ und „seed / Samen“) wollen sie über die Tanzstücke hinaus auch den Entstehungsprozess, die vorausgehende Recherche und die Künstlerpersönlichkeiten sichtbar und erlebbar machen. SEEDance heißt also: Tanz säen und Tanz sehen. Seine sichtbare Form erhält die Initiative im „Flow Dance Festival“ das erstmals im Juni 2014 stattfindet und in der ersten Phase die tanz-affine südliche Rheinregion von Bonn bis Köln umfassen wird. Zwei Wochen Tanz in seiner Faszination ausschnittsweise sichtbar machen, Begegnungen herstellen, zu Reflektion über Tanz anregen, lautet das einfache Konzept dieses Pilotprojektes. Nahezu ohne öffentliche Mittel, aber mit Unterstützung durch Sponsoren, darunter die Rheinenergie-Stiftung, und einem neuen Konzept, betritt man völlig neues Terrain. Dazu kooperiert man mit dem NRW-Kultursekretariat Wuppertal, dessen internationales Stipendiatenprogramm „Tanzrecherche NRW“ 2013 erstmals in Köln stattgefunden hat. Zu Gast waren die französischen Choreografen Christophe Béranger und Jonathan Pranlas-Descours, deren Kölner Recherche-Ergebnisse zum Stück „Exuvie“ führten, das beim Flow Dance Festival uraufgeführt wird. Um den künstlerischen Austausch zu fördern sind auch die Premieren der beteiligten NRW-Ensembles an ein internationales Partnergastspiel gekoppelt. Cocoondance Bonn begegnet Cristian Duarte (Brasilien) und Nathalie Larquet (Köln) begegnet Liat Waysbort aus Israel. Die Eröffnungsparty des Festivals wird nach dem Tanzgastspiel LO REAL der spanischen Compañia Israel Galvan im Carlsgarten des Kölner Schauspiels stattfinden. Für den Tanz in NRW gibt es seit dem Tod von Pina Bausch, die zuletzt das Internationale NRW-Tanzfestival ausgerichtet hatte, kein ansatzweise vergleichbares Festival, das internationale Strömungen aufgreift und dem hiesigen Publikum nahebringt. Auch das biennale NRW-Tanzfestival der freien Szene ist längst zu einer langweiligen Abspielförderung degeneriert. So könnte das Flow Dance Festival eines Tages zur Keimzelle eines NRW-weiten Festivals werden, getreu dem Motto der Veranstalter von SEEDance: Tanz säen und Tanz sehen.
Infos:
www.tanzwebnrw.de
www.seedance.org
www.flow-dance-festival.de
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Das Paradies der Egoisten
Kristóf Szabó und die Vision vom optimierten Menschen – Tanz in NRW 09/18
Agentenaktion
LIGNA und interaktive Spiele im Stadtraum – Tanz an der Ruhr 09/18
Die innere Mechanik des Tanzes
Die Kölner tanzsociety wirbt für die Tanzkunst – Tanz am Rhein 04/18
Horrible Innenwelten
Internationale Tanz-Kurzfilme im Rex. Präsentiert vom Verein Tanzrauschen – Spezial 10/17
Der Urknall steht bevor
Die Freihandelszone startet mit „Urbäng!“ ihr neues Festival – Tanz in NRW 10/17
Der Herzschlag des Publikums
Zeitgenössischer Zirkus erobert die freie Szene – Tanz in NRW 07/17
Gegen jede Vernunft
„Die Metabolisten“ und der Reiz verschieden gealterter Körper – Tanz in NRW 04/17
Zwei Gewinnerinnen
Kölner Tanzpreise für Reut Shemesh und Sylvana Seddig – Tanz in NRW 01/17
Alt und jung
Köln: „STILL(here)“ von Silke Z. – Tanz in NRW 11/16
Aufbrechende Wunden
Von Köln und Münster bis Berlin: Festival der Cie. Toula Limnaios – Tanz in NRW 07/16
Kurz und intensiv
Das Kölner Tanzfestival SoloDuo NRW – Tanz in NRW 05/16
Der Totentanz des 20. Jahrhunderts
„Der grüne Tisch“ in Düsseldorf als Kommentar zur Gegenwart Europas – Tanz in NRW 03/16
Im Kreisrund sind alle gleich
4. Ausgabe des Festivals Zeit für Zirkus – Tanz in NRW 11/24
War das ein Abschied?
Sônia Motas „Kein Ende“ in den Kölner Ehrenfeldstudios – Tanz in NRW 10/24
Supergau?
Die TanzFaktur steht wieder einmal vor dem Aus – Tanz in NRW 09/24
Kaffee, Kuchen, Stacheldraht
12. Tanz.Tausch Festival in der Kölner TanzFaktur – Tanz in NRW 08/24
Wunderbar: alles ohne Plan
„Leise schäumt das Jetzt“ in der Alten Feuerwache – Tanz in NRW 07/24
Vor der Selbstverzwergung
Ausstellung zu den „Goldenen Jahren“ des Tanzes in Köln – Tanz in NRW 06/24
Philosophie statt Nostalgie
Das Circus Dance Festival in Köln – Tanz in NRW 05/24
Das Unsichtbare sichtbar machen
Choreographin Yoshie Shibahara ahnt das Ende nahen – Tanz in NRW 04/24
Tennismatch der Kühe
„Mata Dora“ in Köln und Bonn – Tanz in NRW 03/24
Kommt die Zeit der Uniformen?
Reut Shemesh zeigt politisch relevante Choreographien – Tanz in NRW 02/24
Am Ende ist es Kunst
Mijin Kim bereichert Kölns Tanzszene – Tanz in NRW 01/24
Tanz auf Augenhöhe
„Chora“ in der Tanzfaktur – Tanz in NRW 12/23
Eine Sprache für Objekte
Bundesweites Festival Zeit für Zirkus 2023 – Tanz in NRW 11/23