Kinokalender
Mo Di Mi Do Fr Sa So
18 19 20 21 22 23 24
25 26 27 28 29 30 1

12.581 Beiträge zu
3.810 Filmen im Forum

Erstaunlich unerforscht: Menstruationsbeschwerden
Foto: agnieszka_marcinska / Adobe Stock

Mysteriöse Körper

28. Februar 2023

Warum die Medizin den weiblichen Zyklus vernachlässigt – Teil 1: Leitartikel

PMS, das Prämenstruelle Syndrom, ist ein gynäkologisches Beschwerdebild, das ebenso weit verbreitet wie diffus ist. Wer über Menstruation spricht, kommt darum nicht herum: Je nach Studie sind 20 bis 40 Prozent aller Frauen im gebärfähigen Alter davon betroffen. In vielen medizinischen Publikationen wird sogar angenommen, dass drei von vier Frauen unter mindestens einem der Symptome von PMS leiden. Und die sind vielfältig: Kopfschmerzen, Unterleibsschmerzen, Heißhunger, Stimmungsschwankungen, Niedergeschlagenheit, Kreislaufprobleme. Der Berufsverband der Frauenärzte (BVF) spricht von einer „Palette von mehr als 150 Symptomen“. Auch ich kann, wie fast alle Frauen in meinem Bekanntenkreis, ein Lied davon singen. Die genaue Ursache von PMS hingegen: unklar – „trotz jahrzehntelanger Forschungen“. Auch das schreibt der BVF. Wie kann das sein? In einer Gesellschaft, die Therapien gegen Krebs entwickelt hat und in der Lage ist, Lebewesen künstlich zu klonen?

Wissenschaftliche Lücke

Eine Antwort auf diese Frage ist: Wir leben in einer patriarchalen Gesellschaft, die in vielen Bereichen von Männern gemacht und auf Männer ausgerichtet ist. Auch in der Medizin. Jahrzehntelang wurden etwa Medikamente vornehmlich an Männern getestet und auf die Körper und Bedürfnisse von Männern ausgerichtet. Darüber schreibt unter anderem Rebekka Endler in ihrem Buch „Das Patriarchat der Dinge“. Die Ursache hierfür ist wiederum: die Menstruation. Denn der weibliche Zyklus mit seinen unterschiedlichen Hormonphasen sowie die Wechseljahre machen den weiblichen Körper zu einem herausfordernderem Untersuchungsgegenstand.

Dazu passt, dass die Pille als Allheilmittel für zyklusbedingte Beschwerden verschrieben wird. Selbst der BVF nennt die Pille als erste Therapiemöglichkeit gegen PMS, noch vor natürlichen Methoden wie Sport, Ernährung und Entspannung. Dabei können diese Faktoren viel bewirken. Doch sie erfordern eine intensive Auseinandersetzung mit dem Zyklus der jeweiligen Frau. Und ein umfassendes Bewusstsein dafür, inwiefern ein weiblicher Körper anders als ein männlicher funktioniert. Die Pille hingegen wirkt vermeintlich schnell und unkompliziert: Sie unterdrückt den Eisprung und damit den weiblichen Zyklus komplett. Frauen haben mit ihr einen konstanten Hormonspiegel, ähnlich wie Männer. Praktisch, könnte man jetzt denken. Nur: Viele Ärzt:innen zweifeln daran, dass die Pille heutzutage erneut zugelassen würde. Denn sie bringt zahlreiche Nebenwirkungen und Risiken mit sich. Eine Pille für den Mann ist zwar seit Jahren in der Forschung, wurde aber nie zugelassen – wegen der gleichen Nebenwirkungen. Auch hier scheinen männliche Körper nach einem anderen Maßstab bewertet zu werden. 

Von Frau zu Frau

Ein Gegentrend dazu sind Kanäle in den sozialen Medien, die es sich zum Anliegen gemacht haben, über die weibliche Menstruation aufzuklären; quasi unmittelbares Wissen von Frauen für Frauen. Der Kanal Bodysynchron auf Instagram klärt etwa darüber auf, inwiefern zyklusgerechte Ernährung und Sport PMS vermindern können. Und welche Beschwerden auf ein Zuviel oder Zuwenig an bestimmten Hormonen hinweisen können. Das ist gut. Noch besser wäre es, wenn dieses Wissen es auch auf die strukturelle Ebene schaffen würde. Etwa indem der Berufsverband der Frauenärzte nicht immer noch pauschal die Pille als erstes Mittel bei PMS listen würde.

 

DER GESCHMACK VON BLUT - Aktiv im Thema

perioden-system.com | Der in Berlin ansässige Verein Periodensystem versorgt soziale Einrichtungen mit gespendeten Menstruationsprodukten und klärt über Menstruation auf.
hearnepal.de/madchen-und-frauenprojekt | Hear Nepal Deutschland e.V. klärt über Maßnahmen auf, um die Bildung und Gesundheit von Mädchen und Frauen in Nepal zu fördern.
ravensburg.de/rv/aktuelles/2022/kostenlose-menstruationsartikel-in-den-weiterfuehrenden-schulen-der-stadt-ravensburg | Die Stadt Ravensburg informiert über erste Schritte, Menstruationsartikel kostenlos zugänglich zu machen.

Fragen der Zeit: Wie wollen wir leben?
Schreiben Sie uns unter meinung@engels-kultur.de

Marina Wudy

Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.

Neue Kinofilme

Konklave

Lesen Sie dazu auch:

Bis aufs Blut
Intro – Der Geschmack von Blut

„Der 28-Tage-Zyklus ist eine Erfindung der Industrie“
Anja Moritz von der Endometriose-Vereinigung Deutschland über den Umgang mit Menstruation – Teil 1: Interview

Wenn alle monatlich Grippe hätten
Medienprojekt Wuppertal klärt über Menstruation auf – Teil 1: Lokale Initiativen

Die normalste Blutung der Welt
Vom Ende des Tabus der Menstruation – Teil 2: Leitartikel

„Uns wurde weisgemacht, unser Blut sei etwas Schmutziges“
Unternehmerin Bettina Steinbrugger über die Tabuisierung der Menstruation – Teil 2: Interview

Rücksicht auf den Monatszyklus
Zu Besuch im Kölner Concept Store Le Pop Lingerie – Teil 2: Lokale Initiativen

Drei Millionen Liter
Gedanken zur Periodenarmut – Teil 3: Leitartikel

„Menstruation ist keine Wahl“
Claudia Ulferts vom Plan International über Periodenarmut – Teil 3: Interview

Tampons für alle
Kostenlose Menstruationsartikel an der Ruhr-Uni Bochum – Teil 3: Lokale Initiativen

Free Bleeding für alle
Gesetz hilft menstruierenden Menschen – Europa-Vorbild: Schottland

Scheiße, ich blute!
Ist die Geschichte der Menstruation voller Missverständnisse? – Glosse

Leitartikel

Hier erscheint die Aufforderung!