In der Politik geht es darum, wie Menschen in einer Gesellschaft zusammenleben. Zur Bundestagswahl am 23. Februar stellen viele Parteien ihre Programme vor und formulieren Vorhaben für den Fall eines Wahlerfolgs bzw. des Einzugs in den Bundestag. Dazu kommen Stimmen unter anderem von Gewerkschaften, Sozialverbänden, Mietinitiativen, der Klimabewegung oder Vereinen, die sich gegen Rassismus engagieren.
Für die Frage des Zusammenlebens ist es wichtig zu erkennen, dass doch alle Menschen gleiche oder ähnliche Bedürfnisse haben. Sie brauchen ein soziales Umfeld, soziale Sicherheit, Bildung, Arbeit, kulturelle Teilhabe, Gesundheit, eine gute Wohnung und ein gesundes Klima. Niemand möchte aufgrund seiner Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe diskriminiert oder angefeindet werden. All dies ist nicht nur ein Bedürfnis, sondern verbrieftes Recht. Leider sieht die Realität zunehmend anders aus.
Für das Wohl der Wohlhabenden?
In unserer Gesellschaft gibt es strukturelle Ungleichheiten, etwa nach Einkommen, Geschlecht oder Herkunft. Darum sollten diejenigen, die anlässlich von Wahlen Forderungen stellen, gefragt werden, von wem sie sprechen, wenn sie den umfassenden Begriff des Zusammenlebens verwenden. Sind die politischen Vorschläge für alle hier lebenden Menschen gedacht oder nur für einen Teil? Sollen sie das Leben aller Menschen verbessern oder nur von denen, deren Familien seit vielen Generationen in Deutschland leben oder die ein überdurchnittliches Einkommen haben?
Die politische Debatte wird rauher und hemmungsloser, wenn es darum geht, angeblich Schuldige zu benennen, die verantwortlich dafür sein sollen, dass politische und ökonomische Krisen aufeinander folgen und die Armut in einem so reichen Land wie der Bundesrepublik zunimmt. Nicht nur das Internet ist voll von Hasskommentaren.
Politiker ohne Mitgefühl
Auch führende Politiker leisten sich immer wieder entsprechende Ausfälle und werden dafür zunehmend weniger kritisiert. Diejenigen, die am lautesten schreien, dass „man ja gar nichts mehr sagen darf“, sind meist diejenigen, die die Grenzen von Polemik immer weiter verschieben und denen es an jeglicher Empathie zu fehlen scheint. Wenn ein Kanzlerkandidat Friedrich Merz erklärt, dass die Menschen, die vor dem Krieg in der Ukraine zu uns fliehen, vor allem deswegen kämen, um sich die Zähne sanieren zu lassen, stellt er seine Entsolidarisierung öffentlich zur Schau.
Wenn noch am Tag des Falls des Assad-Regimes in Syrien gefordert wird, die hier lebenden Geflüchteten umgehend abzuschieben, ist das brutal und versetzt Menschen in Existenz- und Todesangst. Es ignoriert auch Fakten, denn bspw. für Kurdinnen und Kurden oder queere Menschen ist Syrien nach der dschihadistischen Machtübernahme alles andere als sicher. Da muss die AfD mit ihren Abschiebeticket-Flyern in Baden-Württemberg nur noch einen draufsetzen, um die Stimmung weiter zu vergiften.
Die alltägliche Wahl
Gleiches gilt für die mantraartige Behauptung, Armutsbetroffene wie prekär Beschäftigte, Rentnerinnen und Rentner oder Erwerbslose, seien an ihrer Situation selber schuld. Das ist eine Verdrehung von Tatsachen und eine Verhöhnung von Millionen Menschen.
Was ist diesem Rechtsruck, der unser Zusammenleben bedroht, entgegenzuhalten? Die Antwort ist, ein solidarisches und inklusives Zusammenleben im Alltag tatsächlich zu leben und sich dafür zu engagieren – und danach auch die Wählbarkeit der demokratischen Parteien zu überprüfen. Für ein friedliches und solidarisches Zusammenleben muss jeden Tag aufs Neue gestritten werden. Von alleine wird es nicht kommen.
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Generationenwissen
Intro – Auf ein Neues
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Teil 1: Interview – Politologin Nina Kolleck über die Vermittlung demokratischer Werte
Mit Kopf und Bauch
Teil 1: Lokale Initiativen – Politikwissenschaftler Detlef Sack über die Demokratie in Deutschland
Zukunft? Kannst'e Dir sparen!
Teil 2: Leitartikel – Die Schuldenbremse ist ökonomischer Irrsinn und zudem undemokratisch
„Dominierende Haltung: Reform der Schuldenbremse ist nötig“
Teil 2: Interview – Wirtschaftsweise Achim Truger über die Wirtschaftskrise und die Ideen der Parteien
Kein klares Ziel
Teil 2: Lokale Initiativen – Der Wissenschaftsladen Bonn bietet Berufsorientierung für akademische Generalisten
Falscher Frieden
Teil 3: Leitartikel – Neuwahl im permanenten Kriegszustand
„Jeder Krieg kann verhindert werden“
Teil 3: Interview – Politologe Andreas Hasenclever über Wege zum Frieden
Forschen für den Frieden
Teil 3: Lokale Initiativen – Theorie und Praxis des Völker- und Menschenrechts an der Ruhr-Universität Bochum
Mitregieren per Zufall
Wie Bürger:innenräte die irische Demokratie fit halten – Europa-Vorbild Irland
Wenn Parteien etwas ändern würden …
Welche Lüge bekommt meine Stimme? – Glosse
Zum Schlafen und Essen verdammt
Teil 1: Leitartikel – Deutschlands restriktiver Umgang mit ausländischen Arbeitskräften schadet dem Land
Rassismus kostet Wohlstand
Teil 2: Leitartikel – Die Bundesrepublik braucht mehr statt weniger Zuwanderung
Schulenbremse
Teil 3: Leitartikel – Was die Krise des Bildungssystems mit Migration zu tun hat
Glücklich erinnert
Teil 1: Leitartikel – Wir brauchen Erinnerungen, um gut zu leben und gut zusammenzuleben
Aus Alt mach Neu
Teil 2: Leitartikel – (Pop-)Kultur als Spiel mit Vergangenheit und Gegenwart
Nostalgie ist kein Zukunftskonzept
Teil 3: Leitartikel – Die Politik Ludwig Erhards taugt nicht, um gegenwärtige Krisen zu bewältigen
Das Spiel mit der Metapher
Teil 1: Leitartikel – Was uns Brettspiele übers Leben verraten
Es sind bloß Spiele
Teil 2: Leitartikel – Videospiele können überwältigen. Wir sind ihnen aber nicht ausgeliefert.
Werben fürs Sterben
Teil 3: Leitartikel – Zum Deal zwischen Borussia Dortmund und Rheinmetall
Paradigmenwechsel oder Papiertiger?
Teil 1: Leitartikel – Das EU-Lieferkettengesetz macht vieles gut. Zweifel bleiben.
Demokratischer Bettvorleger
Teil 2: Leitartikel – Warum das EU-Parlament kaum etwas zu sagen hat
Europäische Verheißung
Teil 3: Leitartikel – Auf der Suche nach Europa in Georgien