Freitag, 8. April: Natürlich wäre es ein Knüller gewesen, wenn Jan Böhmermann am Freitagnachmittag zum Presseempfang im Adolf-Grimme-Institut in Marl erschienen wäre oder am Abend im Theater der Stadt seine Auszeichnung für die ZDFneo-Sendung „Neo Magazin Royale“ entgegen genommen hätte. Aber den bissigen Satiriker plagen im Moment ganz andere Sorgen, da seine „Schmähkritik“ am türkischen Ministerpräsidenten Recep Erdogan aus der gleichen Reihe seit gut einer Woche die Gemüter erregt und Böhmermann eine Strafanzeige der Türkei einbringen könnte. Da er nicht in Feierstimmung sei und weil er die Aufmerksamkeit nicht von der eigentlichen Preisverleihung und den anderen Preisträgern ablenken wolle, verzichtete Böhmermann auf ein persönliches Erscheinen in Marl. Dort wurden bereits zum 52. Mal die von einer unabhängigen Jury als beste Produktionen des Vorjahres befundenen Sendungen mit dem renommierten Adolf-Grimme-Preis ausgezeichnet, fünfzehn Formate insgesamt, die einmal mehr die Qualität, die Originalität und die Risikobereitschaft deutscher Fernsehsender widerspiegeln.
2016 fanden sich, im Gegensatz zu den Vorjahren, unter den Preisträgern erstaunlich wenig „alte Hasen“, die die deutsche Film- und Fernsehlandschaft schon seit Jahrzehnten bereichern. Höchstens auf Jörg Hartmann, der für seine Darstellung in der MDR/Degeto-Serie „Weissensee“ prämiert wurde, und auf Olli Dittrich, der zusammen mit Tom Theunissen für Buch und Regie des WDR-Kurzfilms „Schorsch Aigner – Der Mann, der Franz Beckenbauer war“ ausgezeichnet wurde, trifft diese Bezeichnung vielleicht zu. Ansonsten waren die Grimme-Preise in diesem Jahr fest in der Hand der nächsten Generation, die ihr Talent ebenfalls schon nachhaltig unter Beweis gestellt hatte. Zum ersten Mal gab es die Sektion „Wettbewerb Kinder & Jugend“, in der die vox-Serie „Der Club der roten Bänder“ als einer der Sieger hervorging. Prämiert wurde u.a. Hauptdarsteller Tim Oliver Schultz, der sehr froh darüber war, dass die Serie beim Publikum so gut angekommen sei. „Jetzt auch von den Kritikern und der Branche so wahrgenommen zu werden, ist eine große Ehre. Das macht einen auf eine ganz andere Art sehr stolz. Meine Großeltern waren unendlich stolz auf mich, als sie gehört haben, dass ich den Grimme-Preis bekomme, und die sind nicht so besonders leicht zu beeindrucken“, sagte Schultz beim Presseempfang. Für ihn und seine Kollegin Luise Befort war die Arbeit an „Der Club der roten Bänder“ sehr berührend und intensiv, da es darin ja um die Erlebnisse einer Gruppe Jugendlicher im Krankenhaus geht. Noch in diesem Jahr soll die zweite Staffel in Produktion gehen, und auch die Hauptdarsteller sind schon äußerst gespannt auf die Drehbücher und fiebern der weiteren Entwicklung ihrer Figuren entgegen.
Unter den weiteren prämierten Jungstars findet sich auch der Berliner Max Mauff, der durch Serien wie „Stromberg“ oder die Gemeinschaftsproduktion der Wachowski-Schwestern und Tom Tykwer, „Sense8“, bekannt ist. Er gehörte nicht nur zum Cast der mit dem Grimme-Preis geehrten TNT-Serie „Weinberg“, sondern erhielt die Auszeichnung auch persönlich für seine Darstellung im ZDF-Film „Patong Girl“, in dem er sich beim Urlaub in Thailand in ein Transmädchen verliebt. Der in Lübeck geborene Jonas Nay ist gerade einmal 25 Jahre jung, und kann seit gestern bereits zwei Adolf-Grimme-Preise sein eigen nennen. Nachdem er bereits 2012 für „Homevideo“ mit der Auszeichnung bedacht wurde, kam nun eine weitere für die RTL-Serie „Deutschland 83“ hinzu. Trotzdem lässt sich Nay dadurch nicht unter Druck setzen und hat auch keine Bedenken, dass seine wachsende Popularität ihm nun eine Flut eher zweitklassiger Drehbücher auf den Tisch spült. „’Deutschland 83’ war nicht nur äußerst populär, sondern auch ein Qualitätsprodukt. Wir hatten ein ganz außergewöhnliches Ensemble von Schauspielern, die auch deswegen hier mitmachten, weil sie sich ihre Rollen sehr genau aussuchen. Ich werde mein Bestes geben, das auch in Zukunft zu machen, weil ich mich dann richtig wohl fühle, wenn ich Rollen spielen kann, die eine Herausforderung für mich sind. Es gibt immer tolle Drehbuchautoren, die tolle Rollen schreiben, und ich freue mich auf alles, was da kommt.“
Übersicht aller ausgezeichneten Produktionen 2016
Wettbewerb Fiktion/Spezial
Patong Girl (ZDF)
Deutschland 83 (RTL)
Weissensee (MDR/DEGETO)
Weinberg (TNT Serie)
Wettbewerb Information & Kultur/Spezial
Die Folgen der Tat (WDR/SWR/NDR)
Göttliche Lage (WDR/ARTE)
Marhaba – Ankommen in Deutschland (n-tv)
Tödliche Exporte (SWR/BR)
Vom Ordnen der Dinge (ZDF/ARTE)
Wettbewerb Unterhaltung/Spezial/Innovation
#Varoufake der Sendung „Neo Magazin Royale“ (ZDFneo)
Schorsch Aigner (WDR)
Streetphilosophy (RBB/ARTE)
Wettbewerb Kinder & Jugend / Innovation
Club der roten Bänder (VOX)
ENE MENE BU (KiKA)
Publikumspreis der Marler Gruppe
Kunst und Verbrechen (ZDF/3sat)
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