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Edith, Sylvia und Jürgen mit Iris Frieling (v. l. n. r.)
Foto: Jan Turek

Vom Fluch zum Segen

06. Februar 2020

Hochsensible treffen sich in Wuppertal

„Stell dich nicht so an, du Prinzessin auf der Erbse“, „Du bist viel zu weich“, „Warum bist du so empfindlich?“ Menschen, die besonders häufig mit solchen Sätzen konfrontiert und von diesen verletzt werden, sind möglicherweise hochsensibel. Hochsensibilität – man spricht auch von Neurosensitivität – ist keine Krankheit, sondern ein angeborenes Persönlichkeitsmerkmal, von dem Schätzungen zufolge 15 bis 20 Prozent der Bevölkerung betroffen sind – Männer wie Frauen.

Bekanntlich nehmen unsere Sinnesorgane Reize aus der Umwelt auf und senden sie über Nerven ans Gehirn. Dabei erreichen jedoch bei weitem nicht alle aufgenommenen Informationen tatsächlich unser Bewusstsein. Das meiste, insbesondere das, worauf wir uns gerade nicht konzentrieren, wird vorher herausgefiltert. Diese Filter wirken bei Hochsensiblen weniger stark. Von diesen Personen werden Sinneseindrücke stärker und mit mehr Details wahrgenommen. Individuell können verschiedene Sinne betroffen sein: So werden etwa beim Essen einzelne Zutaten herausschmeckt oder man weiß, wie eine Hummel riecht. Oft sind Hochsensible zudem zwischenmenschlich besonders empathievoll und merken durch ihre feine Wahrnehmung sofort, wie es anderen Menschen geht oder was für eine Stimmung im Raum herrscht. Hochsensibilität hat aber auch zur Folge, dass das Gehirn mehr Reize verarbeiten muss und es schneller überreizt wird, worunter die Betroffenen häufig leiden, falls nicht genug Zeit und Ruhe zur Verarbeitung vorhanden ist. So fühlt man sich etwa von Hintergrundmusik in Cafés gestört oder ein Besuch im Einkaufszentrum wird als extrem anstrengend empfunden.

„Ich kam nicht mit der Außenwelt zurecht“, berichtet Sylvia. „Warum ticken die alle so anders als ich?“, habe sich die Hochsensible früher oft gefragt. Solche Gedanken beschäftigen die 54-jährige heute nicht mehr. Seit sechs Jahren besucht sie eine Gruppe für Hochsensible bei Iris Frieling, einer Heilpraktikerin für Psychotherapie in Wuppertal. In der gleichen Gruppe ist auch Edith: „Als besondere Fähigkeit habe ich das in meinem Beruf als Lehrerin schätzen gelernt“, so die 65-jährige: „Man nimmt viel zwischen den Zeilen wahr – auch nonverbal“, weiß sie. Frieling ist aus langjähriger professioneller und, als ebenfalls Hochsensible, auch aus persönlicher Erfahrung überzeugt: „Anfangs wären die meisten es gerne los. Das ist normal. Aber keiner, der hier sitzt, möchte noch auf seine Fähigkeiten verzichten. Der Schlüssel für Hochsensible ist die Selbstakzeptanz.“ Außerdem sei es ratsam, den Austausch mit anderen Betroffenen zu suchen: „Es hilft, festzustellen, dass man damit nicht alleine ist.“ Und es sei wichtig, positiv zu bleiben. Das weiß auch Sylvia: „Wir reden nicht vom Leid, sondern von unseren besonderen Fähigkeiten. Man kann es vom Fluch zum Segen umwandeln.“ Auch der 65-jährige Jürgen betrachtet seine Hochsensibilität mittlerweile mit einer gewissen Leichtigkeit: „Die Nachteile nehme ich nicht mehr so sehr wahr. Die Auseinandersetzung mit sich selbst und der eigenen Hochsensibilität ist sehr lohnend. Es ist ein Schatz und der muss gehoben werden. Das ist schon manchmal anstrengend. Aber es lohnt sich.“

Die Therapeutin erläutert, man beabsichtige mit Begriffen wie „Schatz“ keineswegs, sich selbst auf ein Podest zu heben. Es ginge lediglich darum, nicht mehr stigmatisiert zu werden: „Wir möchten ganz normal ernst genommen werden.“ So wünscht sie sich auch von nicht-hochsensiblen Menschen, „den Begriff sensibel nicht mehr als ein Schimpfwort benutzen, sondern zu lernen zuzuhören, einander ohne Wertung anzuschauen und respektvoll miteinander umzugehen.“


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Jan Turek

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