Kiwi, Apfel, Melone: Die 23 Areas des Juicy Beats Festivals 2017 werden nach Obstsorten benannt. Der bunte Stilmix aus Hip-Hop, Gitarrenlastigem, Indie, Alternative, Reggae, Weltmusik und jeder Menge DJ-Sets an unterschiedlichen Orten im Westfalenpark ergibt einen ziemlich üppigen Fruchtsalat – oder eine Obstbowle, je nachdem, welche Konsumgewohnheiten man als Festivalbesucher so hat.
Ordentlich feiern ist jedenfalls angesagt. Und mit Fünf Sterne deluxe am Freitag kann man das besonders derbe. Gerade liefern die Hamburger ihr erstes Studioalbum nach zehn Jahren ab, und vermutlich werden sie es darauf anlegen, das Publikum zum kollektiven Exzess zu bringen.
Auch Acts wie Frittenbude und Bilderbuch (beide am Samstag) sind dafür bekannt, den Partyfaktor zu steigern. Und wem die Hip-Hop-Proleten Trailerpark am zweiten Festivaltag zu geschmacklos sind, der sollte lieber am ersten vorbeischauen und Cro zujubeln – mit dem Mann mit Pandamaske setzen die Veranstalter auf die sichere Bank, zumindest in puncto Bekanntheit. Teenager-tauglich am Freitag sind auch Dat Adam, das autogetunete Cyber-Rap-Projekt mit dem selbst beim Schreien immer noch unwiderstehlich süßen Taddl.
Volles Programm mit rund 200 Bands und DJs an zwei Tagen, und dennoch: Wo 2016 noch Deichkind, die Antilopen Gang oder auch Feine Sahne Fischfilet politische Töne und klare Positionen gegen Rechts zum Festival beitrugen, scheint inzwischen hauptsächlich die Feierlaune zu regieren. Mal sehen, was die Punkrapper Swiss & Die Andern draus machen. Immerhin gibt es auch eine Bühne für Poetry Slammer aus der Region, und für die musikalische Horizonterweiterung steht die Band Tinariwen ein: Mit ihrem Wüsten-Bluesrock bringen sie Gesang und Rhythmus der Tuareg und westliche Hörgewohnheiten zusammen zu einer hypnotischen, tanz- und stampfbaren Melange.
Danach kann es dann mit Bällchenbad, Schaumkanone und Planschen im Wasserbecken weitergehen, nur die Hüpfburg fehlt noch zum absoluten Glück. Oder man streift über das Areal, das als ehemaliges Bundesgartenschau-Gelände ausreichend idyllische Plätze zum Entspannen bereithält. Zu entdecken gibt es unter anderem ein Hip-Hop-Camp inklusive Live-Graffiti und Frühstücksjam, eine „Kreativ.Meile“ mit Designern, Künstlern und Organisationen aus NRW, das Open-Air-Kino der internationalen Kurzfilmtage Oberhausen mit Musikvideos, Videospielen auf Großleinwand und ein laut tönendes Tuk-Tuk als rollende Disko an wechselnden Orten im Park. Die Locations machen sowieso einen großen Teil des Charmes des Juicy Beats aus: Seebühne, Pferdegöpel, Turmrestaurant und Schachplatz, praktisch der gesamte Westfalenpark wird bespielt.
Für die knapp 75 Euro, die man in ein Zwei-Tage-Ticket investiert, wird viel geboten. Kein Wunder, dass das Festival in den letzten drei Jahren ausverkauft war. Obst ist gesund, also hoffen wir mal auf gutes Wetter, entspanntes Publikum, und endlich genügend Toiletten für alle.
Juicy Beats Festival | 28.7. - 29.7. | Westfalenpark Dortmund | www.juicybeats.net
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
All die Frauen und Prince
Zwei Musikbücher widmen sich Sex, Körper und Gender im Rock ‚n‘ Roll – Popkultur 06/20
What a Feeling
„Flashdance“ – Vom Kultfilm zum Musical-Hit – Musical in NRW 03/20
„Die besten Bands müssen nicht von ihrer Kunst leben“
René Regier, Veranstalter des Solinger Cow Club, über den Kulturauftrag – Interview 01/19
Grenzenlos episch
Live gespielte Game-Soundtracks werden zum Megaevent – Popkultur in NRW 11/18
Immer genau dahin wo's wehtut
Selbstfindungsrandale mit Danger Dan und Juse Ju – Popkultur in NRW 09/18
Sich trauen, außerhalb der Reihe die Zukunft zu bauen
Neue Deutsche Welle revisited in Hagen – Popkultur in NRW 08/18
Odyssee im Ruhrgebiet
Weltoffene Konzerte umsonst und draußen – Popkultur in NRW 07/18
Tiefenentspannt in Duisburg
Traumzeit-Festival mit Mogwai, Slowdive und The Great Faults – Popkultur in NRW 06/18
Das Recht auf Spaß
We Are Scientists und die Fun-Bombe – Popkultur in NRW 05/18
Global denken, lokal tanzen
NRW Kultursekretariate fördern musikalischen Reichtum – Popkultur in NRW 04/18
Das Gegenteil von Coolness
Sängerin Elif taucht uns tief in ihre Liebe ein – Popkultur in NRW 03/18
Lalla:Labor statt La La Land
Tatkräftige Musikförderung an der Ruhr – Popkultur in NRW 01/18
Tolerante Szene
An diesem Abend gehen Kölner Jazzbühnen fremd – Improvisierte Musik in NRW 11/24
Nordisches Spitzenprodukt
Rymden am Theater Krefeld – Improvisierte Musik in NRW 10/24
Experimentell und innovativ
3. New Colours Festival in Gelsenkirchen – Improvisierte Musik in NRW 09/24
Immer eine Uraufführung
4. Cologne Jazzweek – Improvisierte Musik in NRW 08/24
Ein Abend für den Duke
Jason Moran und die hr-Bigband in Duisburg – Improvisierte Musik in NRW 07/24
Musikalische Eröffnung der EM
Bundesjazzorchester mit Tom Gaebel in Dortmund und Köln – Improvisierte Musik in NRW 06/24
Verschiedene Welten
Drei Trompeter besuchen das Ruhrgebiet – Improvisierte Musik in NRW 05/24
Besuch von der Insel
„Paul Heller invites Gary Husband“ im Stadtgarten – Improvisierte Musik in NRW 04/24
Pure Lust an der Musik
Das Thomas Quasthoff Quartett im Konzerthaus Dortmund – Improvisierte Musik in NRW 03/24
Kleinstes Orchester der Welt
„Solace“ in der Friedenskirche Ratingen – Improvisierte Musik in NRW 02/24
Mit zwei Krachern ins neue Jahr
Jesse Davis Quartet und European All Stars in Köln – Improvisierte Musik in NRW 01/24
Sturmhaube und Ballonmütze
Gregory Porter in Düsseldorf – Improvisierte Musik in NRW 12/23
Balladen für den Herbst
Caris Hermes Quintett in Düsseldorf – Improvisierte Musik in NRW 11/23