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Der junge Tenor Adam Temple-Smith singt „die Verrückte“
Foto: Björn Hickmann

Opern-Rarität in der Kirche

11. August 2021

Benjamin Brittens „Curlew River“ in Gelsenkirchen – Oper in NRW 08/21

Opern von Benjamin Britten sind eine besondere Vorliebe des Gelsenkirchener Intendanten Michael Schulz. Nach einer ganzen Reihe von großen und bekannteren Bühnenwerken ist zum Auftakt der neuen Saison am Musiktheater im Revier nun eine ausgesprochene Rarität zu sehen: „Curlew River“ ist eine von drei Kammeropern, die der Komponist explizit zur Aufführung in einer Kirche vorgesehen hat. Und so findet die erste Premiere der Saison am 27.8. auch nicht im Theater, sondern in der benachbarten Georgskirche statt.

Die Kirche liegt in Sichtweite des Theaters und ist auch keine wirklich neue Spielstätte für das Ensemble. Als vor einigen Jahren das Große und das Kleine Haus umfassend renoviert werden mussten, diente das Gotteshaus schon einmal als Ausweichquartier. Dieses Mal ist aber nicht die Raumnot der springende Punkt. Vielmehr hat Komponist Benjamin Britten seine selten gespielte und thematisch religiös grundierte Kammeroper ganz gezielt für den Kirchenraum konzipiert.

Unter anderem ist eine kleine Orgel zur Verstärkung des Orchesters vorgesehen, und gregorianische Gesänge verlangen geradezu nach der an Hall reichen Sakralakustik.

Einfluss des japanischen No-Theaters

Musikalisch wie thematisch ragt „Curlew River“ von 1964 deutlich aus dem Schaffen Brittens heraus. Mitte der 1950er Jahre war der Komponist nach Japan gereist und ließ sich vom traditionellen, mehrere Jahrhunderte alten No-Theater in den Bann ziehen. Eines der traditionellen No-Stücke, „Sumidagawa“, zu Deutsch: der Fluss Sumida, handelt von einer Frau, deren Sohn vor Jahren entführt und sie selber darüber wahnsinnig geworden ist, bevor sie von einem Fährmann am Fluss Sumida vom Tode ihres Sohnes und von seinem nahe gelegenen Grab erfährt und endlich ihren Seelenfrieden findet.

Britten und sein Librettist William Plomer versetzten die Handlung in einen mittelalterlich-christlichen Kontext an den fiktiven „Curlew River“ (Brachvogel-Fluss) in die ostenglischen Fenlands. Andere Stilmittel wurden aus der japanischen Tradition übernommen. So werden sämtliche Partien – neben der „Verrückten“ und dem Fährmann gibt es noch einen weiteren Reisenden sowie einen als Erzähler fungierenden Abt – von Männern gesungen. Denn im No-Theater durften bis ins 20. Jahrhundert hinein nur Männer auftreten. Die Besetzung des kleinen Orchesters unter anderem mit Flöte, Harfe, Trommeln und Glockenspiel ist ebenfalls an die japanischen Instrumente des No-Theaters angelehnt.

Der junge Dirigent Peter Kattermann, ein ehemaliger Schüler von Gelsenkirchens Generalmusikdirektor Rasmus Baumann, hat die musikalische Leitung. Seine traditionelle Rolle als Dirigent billigt ihm der Komponist allerdings nicht zu. Britten gewährte den Instrumentalisten viel Freiraum ohne die Fesseln eines zentralen Dirigats. Vielmehr dürfen verschiedene Instrumentengruppen sogar jeweils ihr eigenes Tempo nebeneinander wählen und kommen nur an bestimmten Stellen der Partitur wieder zusammen. Inszeniert wird die etwa 70 Minuten lange Kammeroper von Carsten Kirchmeier.

Curlew River | R: Carsten Kirchmeier | 27., 28.8., 3., 18., 22.9. 20 Uhr; 10.10. 19 Uhr | Musiktheater im Revier, Gelsenkirchen | 0209 409 72 00

Karsten Mark

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