Von der Technik hinter den klimatisierten Räumen im Bonner Kunstmuseum ist nichts zu sehen oder zu hören, dennoch ist die unsichtbare Belüftungsanlage irgendwie symbolisch für die aktuelle Ausstellung „Through the Looking Brain“. Die sehenden Gehirne sind international renommierte Fotografen, die nicht grummelig wie Humpty Dumpty aus Lewis Carrols Fortsetzung von Alice im Wunderland, aber doch kritisch die Welt betrachten. An der Museumsmeile ist jetzt die nie öffentlich gezeigte, international bedeutende Fotosammlung der Schweizer Zellweger Luwa AG zu sehen, die sich als multinationaler Konzern mit Klima- und Lüftungsanlagen beschäftigt und sich eine solche Sammlung leistet, deren wertvolle Exponate aber mitarbeiterfreundlich in Büros und Kantinen hingen. Nach dem Eintritt in die verwinkelten Ausstellungsräume lassen die Formate der Fotografien den Betrachter erst einmal erstarren. Rund sechs Quadratmeter Fläche bei Thomas Ruff, Andreas Gursky oder Jeff Wall werden nicht mehr in der muffigen Dunkelkammer abgezogen. Diese Bilder benötigen schon industrielle Präzisions-Plotter, um fehlerfrei reproduziert zu werden. Es waren die Söhne der Firmengründer (Ruedi und Thomas Bechtler, Ruedi Bechtler ist selbst Fotograf) die 1990 die fotografische Sammlung begründeten, sie gilt heute als eine der besten und umfassendsten Sammlungen im Bereich konzeptueller, vorwiegend seriell angelegter Fotografie.
Da sind natürlich alle Größen des Kunstmarkts vertreten, ihre Meisterwerke hängen wie selbstverständlich in jedem großen Museum weltweit. Darunter Abzüge die schon oft gesehen wurden, wie die inszenierten Landschaften von Jeff Wall, das riesige „Paris, Montparnasse“ (1993) von Andreas Gursky, aber auch die ersten Filmstills (# 25, 1978) von Cindy Sherman. Erstaunliche Entdeckungen kann der Besucher aber auch machen. Ungewöhnlich wie viele Künstler, die normalerweise nicht mit dem Medium Fotografie verbunden werden, in dieser Ausstellung vertreten sind. „Psychobuildings“ (1988) nennt da Martin Kippenberger seine Serie aus 85 Alltagsdokumentationen und „zufälliger Landart“. Von Sigmar Polke ist die Fotoserie „Magie der Dinge“ von 1969 zu sehen. Auch Imi Knoebel hat in dieser Zeit mit serieller Schwarzweiß-Fotografie experimentiert (Projektion I, 1968-71). Fast ein Jahrzehnt davor hatte Ed Ruscha die Konzeptfotografie in eine neue Dimension gehoben. Er fotografierte Tankstellen (Gasoline Stations, 1962) entlang der berühmten Route 66, und das mit absichtlicher Fehlerhaftigkeit. Langeweile und Gleichgültigkeit scheinen die menschenleeren Darstellungen zu dominieren.
Menschenleer sind auch die 111 Doppelbelichtungen vom schweizerischen Künstlerduo Fischli und Weiß, die einen ganzen Raum füllen. Die „Blätter-Blumen-Box“ (1998) zeigt Pflanzen, Obst und hin und wieder ein paar Schmetterlinge. Durch das visuelle Bombardement intensiver bunter Motive, deren Anachronismus aus fotografischen Stilleben und Naturdokumentation durch die geschickte Überblendung noch verstärkt wird, zitieren Fischli und Weiß nicht nur die klassische Moderne, sondern auch die enorme Bilderflut und die nicht eindeutige Wahrhaftigkeit der fotografischen Abbildung.
“Through the looking brain” I Kunstmuseum Bonn I Bis 25.9. I 0228 77 62 60
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