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Léon Spilliaert, Silhouette des Künstlers, 1907, Pastell und Aquarell auf Papier, 49,8 x 65,2 cm, Museum voor Schone Kunsten, Gent
© Collection MSK Gent, www.artinflanders.be, Fotograf Hugo Maertens (gemeinfrei)

Ende eines Jahrhunderts

01. Januar 2024

George Minne und Léon Spilliaert in Neuss – Kunst in NRW 01/24

Ausstellungen im Neusser Clemens Sels Museum verdienen eine besondere Aufmerksamkeit. Von den Kunstmetropolen Köln und Düsseldorf fast erdrückt, behauptet sich das Museum als Schatzkästchen, das seine eigene Nische gefunden hat: Zentrales Sammlungs- und Ausstellungsthema sind Sonderwege der realistischen Kunst um 1900. So sind hier prägnante Werke der Präraffaeliten, des Jugendstil und Symbolismus, aber auch des Rheinischen Expressionismus zu sehen, die ein jeweils eigenes Klima der Vergeistigung kennzeichnet. Die derzeitige Wechselausstellung stellt mit dem Bildhauer George Minne und dem Maler und Zeichner Léon Spilliaert zwei Künstler aus Belgien vor, deren wichtigste Werke in den Jahren vor und nach 1900 – und damit vor dem gleichen gesellschaftlichen Hintergrund – entstanden sind. Während Minne bis heute hierzulande bekannt ist, ist Spilliaert weitgehend vergessen – ein Grund mehr also, die Ausstellung in Neuss zu sehen.

Im reihenden Nebeneinander erschließt sich die Intensität und Ernsthaftigkeit, mit der jeder der Künstler auf seine Motive und seinen Themenkreis über Jahre hinweg zurückkommt. Minne zeigt in Marmor Paare und eine kniende, in sich verdrehte Figur, die im vertikalen Aufwachsen die Extremitäten anwinkelt und den Kopf neigt: Sie ist ganz bei sich. Spillaert schildert, neben Selbstporträts und Interieurs, in vielen seiner Bilder den Blick vom Deich auf das Meer in seiner Weite und Ruhe, unterstützt durch die Linien eines Geländers, mit dem Strand und den Wellen und dem Horizont, teils noch mit einer Rückenfigur, aber das ist es dann auch schon. Er transzendiert Naturerfahrung, verbunden mit Melancholie und Entrücktheit. Und dann stellt man fest, wie verwandt der Klang der Werke beider Künstler ist. Beide stilisieren ihre Motive hin zur Geometrisierung, sie reduzieren das Geschehen und die Farbigkeit, alles Geschehen kommt regelrecht zum Innehalten. Beide zeigen Vereinzelung und verweisen auf geistig-religiöse Sphären. Das deutet sich bereits in den grandiosen Einzelwerken beider Künstler an, die sich im Erdgeschoß befinden: als Malerei und skulpturale Lösung erstaunlich aktuell und einfach zauberhaft.

Gewagte Visionen – George Minne und Léon Spilliaert | bis 3.3. | Clemens Sels Museum Neuss | 02131 90 41 41

Thomas Hirsch

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