Natürlich, das Thema selbst ist hochbrisant und hat im Ruhrgebiet seinen rechten Ort. In Städten wie Gelsenkirchen und Duisburg ist die Einwohnerzahl im Laufe der Jahrzehnte um bis zu 30% zurückgegangen, bedingt durch die Strukturwandel, wobei Werksschließungen anderer Sparten neben denen der Energieversorgung zusätzlich zur Arbeitslosigkeit und zum Wegzug beitragen. Indes ist die Migration ein globales Phänomen: im Verlassen von Städten, dem Abriss ganzer Viertel, Neuansiedlungen auf dem Land und am Stadtrand, andererseits im Entstehen von Megapolen mit einer extremen Schere zwischen Arm und Reich. Ein Arbeitsgebiet für Soziologen, Stadtplaner, Architekten, Politiker. Wie tragen nun die Visualisierung durch eine Ausstellung und die Kunst selbst dazu bei, derartige Problemfelder zu veranschaulichen, Betroffenheit auszulösen und Vorschläge für Gegenbewegungen aufzuzeigen?
Konsequent geht die Kulturstiftung des Bundes diesen Anliegen nach. Ihr Projekt „Schrumpfende Städte“ wurde 2002 angesichts der Wegzugsprozesse in Ostdeutschland mit mehr als einer Million leerstehender Wohnungen initiiert und führt nun zu immer weiteren Untersuchungen, Publikationen und einer Ausstellungsreihe, die auf den jeweiligen Ort hin positioniert wird und derzeit in zwei Teilen in Dortmund und Duisburg zu sehen ist.
Vor allem in Dortmund überzeugen die Anordnung wie auch der Blick der Künstler. Im Fokus auf sehr unterschiedliche Fallbeispiele (darunter das Ruhrgebiet) finden sich großartige (ästhetische, formale inhaltliche) Beiträge, etwa in den Fotografien von Stan Douglas und Bettina Steinacker und dem Video von Clemens von Wedemeyer. In Duisburg freilich (wo sich im Gegensatz zum Museum am Ostwall alles in einem Raum abspielt) motiviert das trockene Nebeneinander von Modellen, Schautafeln mit aufgeklebten Fotos und Monitoren nicht unbedingt. Vorgestellt werden öffentliche und private Initiativen im In- und Ausland, um dem Leerstand entgegenzuwirken oder Peripherie mit Zentrum zu verbinden und mobile Architekturen zu entwickeln. Aber auch der versierte Künstler-Aktivist Christoph Schäfer bleibt mit seinen ironischen Videos zu „Hoang’s Bistro“ inmitten von Halle/S. eher uninspiriert. – Und dann doch. Die Ausstellung findet hier in der Liebfrauenkirche statt, deren Status selbst prekär ist, und ganz unspektakulär werden Duisburger Sakralbauten gezeigt, die umgewidmet sind oder umgekehrt (für andere Konfessionen) neuerrichtet werden: als lokaler Blick auf Phänomene, die den Strukturwandel noch begleiten. Anschaulicher geht es kaum.
Schrumpfende Städte – Regionen neu denken:
„Internationale Untersuchung“ bis 27. April im Museum am Ostwall, Dortmund und „Interventionen“ bis 11. Mai in der Liebfrauenkirche, Duisburg
www.shrinkingcities.com
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