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Genügen ein paar Cent, um Tierleid zu beenden?
Foto: Alex Birch / Adobe Stock

Die Masse macht’s nicht mehr

28. Juni 2024

Teil 2: Leitartikel – Tierhaltung zwischen Interessen und Idealen

Veganes Cordon bleu, Leberwurst auf Erbsenbasis oder Barista Mandelmilch ─ wer heute im Supermarkt nach fleischfreien Alternativen sucht, steht vor langen Regalen mit veganen Produkten. Auch das Angebot an Bio-Fleisch ist gewachsen. In einer Forsa-Studie aus dem Jahr 2023 gaben 80 Prozent der Befragten an, dass ihnen bei der Auswahl der Lebensmittel die Haltung der Tiere wichtig sei, für 74 Prozent war eine umwelt- und ressourcenschonende Produktion entscheidend. Auf den ersten Blick scheint hier ein großer Wandel im Gange. Verändert sich die Lebensmittelindustrie nachhaltig?

Leider ist dem nicht wirklich so, denn die Realität ist komplizierter. Der Fleisch- und Milchkonsum pro Kopf in Deutschland ist über die letzten Jahre tatsächlich gesunken. Allerdings exportiert Deutschland gigantische Mengen Fleisch, 4,5 Millionen Tonnen im Jahr 2023. Zwar ist die Menge auch hier rückläufig, doch der Export von Milchprodukten, vor allem Käse, ist wiederum gestiegen. Weltweit wächst der Fleischkonsum, und da die Preise auf dem Weltmarkt oft niedriger sind als auf dem deutschen Markt, muss billig produziert werden.

Mehr Nutztiere als Menschen in Deutschland 

So leben in Deutschland immer noch mehr Nutztiere als Menschen (laut Statista jährlich über 200 Mio. Tiere), die allermeisten davon in Massentierhaltung. Das führt zu großem Tierleid, erheblichem CO2-Ausstoß und massivem globalen Anbau von Futtermitteln.

Seit 2002 ist Tierschutz im Artikel 20a des deutschen Grundgesetzes verankert. Doch was passiert eigentlich da, wo etwas bewegt werden kann ─ in der Politik? Es scheitert, wie so oft, am Geld. Sowohl Landwirte als auch die meisten Parteien sind offen für einen tier- und umweltgerechten Umbau der Ställe. Eine Studie der Deutschen Umwelthilfe (DUH) aus dem Jahr 2021 zeigt jedoch, dass Rechtsrahmen und Umweltnormen für Massentierhaltung unter der großen Koalition aus CDU/CSU und SPD teils sogar lascher geworden sind. Viele kleinere Betriebe sind nicht mehr konkurrenzfähig, Großbetriebe halten dafür immer mehr Rinder, Schweine und Co. Darunter leidet das Tierwohl.

Es gibt sie jedoch, politische Überlegungen, wie ein solcher Umbau zu mehr Tierwohl finanziert werden könnte. Bundeslandwirtschaftsminister Özdemir (Grüne) etwa schlägt eine Tierwohlabgabe vor, eine Art Cent-Steuer auf Fleisch, die beispielsweise von fleischverarbeitenden Betrieben gezahlt würde. Die Zukunftskommission Landwirtschaft (ZKL) fordert alternativ eine Erhöhung der Mehrwertsteuer auf Fleisch von 7 auf 19 Prozent, wobei die Erträge den Landwirten zugutekommen sollen.

Nur nichts Konkretes 

Kanzler Scholz (SPD) zeigt sich offen für beides, konkret ist bisher nichts. Am Ende könnte es an der steuer-skeptischen FDP scheitern oder an der Frage, wie Steuergelder gezielt verwendet und ungerechte finanzielle Belastungen der Bürger vermieden werden.

Wie sieht es mit Fleischalternativen aus? Für ein Kilo Rindfleisch wird das Zehnfache an CO2 freigesetzt wie für ein Kilo Soja-Fleischersatz. An künstlich erzeugtem In-vitro-Fleisch wird intensiv geforscht, in einigen Ländern ist es bereits für den Handel zugelassen. Wie die Klimabilanz in der Massenproduktion aussähe, ist noch unklar, zumindest verringert es Tierleid. 

Es ist nicht absehbar, wie groß der politische Wille sein wird, die Tierhaltung wirklich nachhaltig zu verbessern. Dass das Bewusstsein in der Bevölkerung für klima- und tierwohlschädliche Fleisch-, Eier- und Milchproduktion steigt, ist jedoch ein gutes Zeichen. Dieser bewusste Konsum fördert die Entwicklung von tiergerechter Haltung und nachhaltiger Produktion. 

Mareike Thuilot

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