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Petra Schmidt als Emilia Marty und Martin Hombrich als Albert Gregor
Foto: Karl Forster

Opernkrimi à la Hitchcock

08. Januar 2020

„Die Sache Makropulos“ in Gelsenkirchen – Oper in NRW 01/20

Das Musiktheater im Revier wird dieser Tage 60 Jahre alt und holt sich zur Jubiläumsproduktion einen Altmeister zurück ans Haus, der eben dort seine große bis heute währende Karriere begann: Regielegende Dietrich Hilsdorf. Inszeniert hat er ein Stück, von dessen Umsetzbarkeit als Oper selbst der Schöpfer der dramatischen Vorlage nicht überzeugt war: „Die Sache Makropulos“ von Leoš Janáček.

Um es vorweg zu nehmen: Karel Čapek, der Autor der gleichnamigen Komödie, die der Komponist Janáček adaptiert hatte, musste seine Vorbehalte gegen die Opernversion gleich nach der Uraufführung 1926 wieder zurücknehmen. Janáček war das unmöglich Geglaubte gelungen: Die teils schnellen und schlagfertigen Dialoge funktionierten ebenso gut gesungen mit Musik. Nun ist „Die Sache Makropulos“ nicht nur eine Komödie, sondern auch ein Mystery-Krimi um eine Diva, die nicht altern kann, die einem Vampir gleich über mehr als 300 Jahre hinweg immer nur die Namen nicht aber ihre Initialen ändert. Und – auch das hat sie mit den Vampiren gemeinsam – ihre sexuelle Anziehung ist außerordentlich, während ihr selber jede Leidenschaft und das Mitgefühl für andere abhanden gekommen ist.

Es ist eher der Krimi, den Hilsdorf in seiner Inszenierung auskostet. In großartigen Kulissen von Dieter Richter und nicht minder gelungenen 20er-Jahre-Kostümen von Nicola Reichert entspinnt sich die Handlung nach Art eines Hitchcock-Thrillers, auch weil Hilsdorf in der Janáček-Vertonung zu Recht etwas Filmmusikartiges erkennt. Die komödiantischen Einsprengsel sind – auch das ist typisch Hilsdorf – schonmal etwas derb. Wenn etwa das Zimmermädchen ein gebrauchtes Kondom nach einer erpressten und ernüchternden Liebesnacht über die Bühne trägt. Der Wortwitz verpufft unterdessen in der Übertitel-Übersetzung aus dem Tschechischen. Das lässt sich kaum vermeiden, macht aber auch nichts. Langweilig ist dieser knapp 110 Minuten lange Dreiakter, der mit offenen Umbauten an einem Stück gespielt wird, jedenfalls an keiner Stelle. Das liegt an Hilsdorfs geschickter Personenregie, aber auch an der guten Besetzung. Petra Schmidt singt die dramatische Sopranpartie der unsterblichen Emilia mal herrlich unterkühlt, mal berührend an ihrem grausamen Schicksal verzweifelnd – eine absolut starke Leistung.

Emilias junge Bewunderin Krista, gesungen vom neuen Ensemblemitglied Lina Hoffmann, wird ihr schließlich – etwas anders als im Libretto vorgesehen – die Last der Unsterblichkeit von den Schultern nehmen, um selber Ruhm und Glanz zu ernten. Die junge Mezzosopranistin, die bereits seit Jahre als Teil des „Jungen Ensembles“ immer wieder in kleineren Rollen zu sehen war, hat hier Gelegenheit, sich in größerem Umfang zu profilieren. Und sie tut das sehr eindrucksvoll.

Auch die umfangreichere Herren-Riege vermag durchweg zu überzeugen. Martin Homrich als Albert und Khanyiso Gwenxane als tragisch endender Janek sind die jungen romantischen Tenor-Schwärmer, die der Diva bedingungslos zu Füßen liegen. Joachim Maaß als Anwalt, Urban Malmberg als Jaroslav und nicht zuletzt der über 80-jährige Tenor Mario Brell, der knapp 25 Jahre lang zu den Publikumslieblingen der Gelsenkirchener Oper zählten, sind unterdessen die alten Herren, die sich zum Teil nicht minder zum Affen machen. Vor allem Brell gelingt es, in seiner Rolle als verrückter Alter mit einer gehörigen Portion Selbstironie die komödiantische Seite des Stücks herauszustellen.

Sie alle bewegen sich in fein ausgewogener Sprachmelodie auf einem sehr lebendigen, farbenreichen Orchesteruntergrund, den Dirigent Rasmus Baumann mit faszinierendem Fingerspitzengefühl an die gesungene Sprache anschmiegt. Janáčeks Tonsprache ist eigentlich eine eingängige. Der Stil der Oper, die dem Text ohne Wiederholungen oder gar Arien und Ensembles folgt, ist hingegen nicht jedermanns Sache. Die Premiere zog sichtlich weniger Publikum an, als es andere Produktionen taten. Doch jene Zuschauer, die gekommen waren, zeigten sich schließlich begeistert.

„Die Sache Makropulos“ | R: Dietrich Hilsdorf | 12.1., 9.2. je 18 Uhr; 4., 24.1. je 19.30 Uhr | Musiktheater im Revier | 0209 409 72 00

Karsten Mark

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