Mit „Geschichten aus dem Viertel“ erzählt Gabi Beltrán von seiner Jugend auf Mallorca. Nicht als Tourist, sondern als Einwohner vor dem Urlaubsboom auf der Insel Anfang der 80er Jahre. Er und seine Kumpels streunen zwischen Huren und Gangstern durch die Gegend und versuchen, an Geld zu kommen, kassieren aber häufig Prügel oder handeln sich anderen Ärger ein. Bartholomé Seguí illustriert die realistische und berührende Coming of Age-Geschichte in lebendigen Farbzeichnungen (avant verlag). Noch ein Viertel: „Böse Geister“ erzählt von einem älteren Mann, der in sein altes Viertel zurückkommt, als er erfährt, dass es abgerissen werden soll. Im verlassenen Haus seiner Kindheit kommen Erinnerungen an die Nachkriegszeit hoch, mit ehemaligen Nazis als Lehrer und Comics, die als Schund galten. Peer Meter und Gerda Raidt ist ein atmosphärisches Zeitportrait gelungen, das raffiniert Spannungsmomente setzt (Reprodukt).
„Die Frau ist frei geboren“ erzählt die Geschichte von Olympe de Gouges, jener frühen Feministin, die schließlich von Robespierres Terrorregime zum Tode verurteilt wurde. José-Louis Bocquet erzählt de Gouges bewegtes Leben und ihren Kampf für die Gleichberechtigung auf 400 Seiten. Die vielen Personen und politischen wie gesellschaftlichen Hintergründe machen dennoch einen 50seitigen Anhang nötig. Nach dem ungewöhnlichen Frauenportrait „Kiki de Montparnasse“ ist es auch hier Catel Muller, von der die schwungvollen Schwarzweiß-Zeichnungen kommen (Splitter). Außergewöhnlich ist „Der Tod von Adorno“. Helmut Wietz hat den Anfang seines surrealen Agitpop-Art-Comics vor über 40 Jahren für die Aufnahmeprüfung an der Filmschule begonnen und dann liegen lassen. Erst jetzt, im Ruhestand, hat er ihn vollendet. Das semi-autobiografische Werk erzählt vergnüglich und quietschbunt von Studentenbewegung, Zielgruppenfilmen, Pornografie und Adorno im Bundestag (Metrolit). Mit dem vierten Band von „Klezmer“ verfolgt Joann Sfar weiterhin das Schicksal eines Klezmer-Ensembles im Russland des frühen 20. Jahrhunderts. In Odessa angekommen landet die Truppe in einem Zirkus, und Sfar nutzt das Ambiente, noch mehr als bisher das Leben in all seinen Facetten mit wilden Zeichnungen, Liebe und Gewalt zu zelebrieren (avant verlag). Nach Thomas Bernhards „Alte Meister“ nimmt sich Nicolas Mahler nun gleich zwei Vorlagen auf einmal vor: „Alice in Sussex“ verknotet Lewis Carrols „Alice in Wonderland“ mit „Frankenstein in Sussex“ des Österreichers H.C. Artmanns, der ja schon Alice mit Mary Shelleys Monster verband. Also Zitat hoch zwei, was Mahler da in seinem gewohnt trocken-humorigen Minimalismus betreibt (Suhrkamp). „Spiegelstärke“ ist ein 1995 von Marc-Antoine Mathieu konzipiertes Erzählexperiment, das vorne wie hinten begonnen werden kann und in der Mitte zusammenfindet. Es ist der letzte Band der kafkaesken Vexierspiele um den Angestellten Julius Corentin Acquefacques, der nun wieder vorliegt (Reprodukt).
„Parker“ basiert wie der gleichnamige Film mit Jennifer Lopez oder John Boormans Klassiker „Point Blank“ von 1967 auf Donald E. Westlakes Roman „The Hunt“. Darwyn Cooke erzählt die Noir-Story um Verrat im Verbrechermilieu im coolen 60's-Style und ist damit näher an Boorman als an Lopez (Eichborn). Ebenfalls im Zeichen des Noir-Krimis steht Benoît Sokals „Inspektor Canardo“-Reihe. Auch mit dem 21. Band „Schneeschnackseln“ hält der Belgier mit seinen tragikomischen Krimis um den Entendetektiv im Trenchcoat die Qualität. Der Handlungsort ist ein eingeschneites Schloss, die Protagonisten sind degenerierte Politiker und verarmter Adel – allesamt ziemlich notgeil (Schreiber & Leser).
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