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Gegen welche Regel?

19. Dezember 2024

Intro – Flucht und Segen

Dass Menschen sich aufmachen, in einem anderen Land zu leben, erscheint weiten Teilen der Bevölkerung als das Problem der Gegenwart. Dabei dürfte weniges so selbstverständlich sein wie das Bemühen darum, das eigene Leben an einem guten Ort zu verbringen – vielleicht in einem anderen Land. Wer würde sich nicht auf den Weg machen, wenn die Umstände es nahelegen oder erzwingen und die Sache wenigstens nicht aussichtslos scheint? So selbstverständlich das ist, so unsicher gehen viele Gesellschaften damit um; besorgniserregend, nicht zuletzt angesichts wachsender Migrations- und Fluchtbewegungen. Unser Monatsthema Flucht und Segen fragt, was es braucht, um die entstehenden Konflikte nicht zu leugnen sowie Verantwortung und Chancen wahrzunehmen.

Unsere Leitartikel erklären, warum Deutschland auf Zuwanderung angewiesen ist, was überforderte Schulen mit Migration zu tun haben und warum es hochqualifizierte Fachkräfte kaum nach Deutschland zieht.

In unseren Interviews macht die Migrationsforscherin Leonie Jantzer Vorschläge für eine zeitgemäße EU-Asylpolitik, der Migrationsforscher Simon Moses Schleimer empfiehlt, Migration als selbstverständlich zu begreifen und der Soziologe Michael Sauer diskutiert, wie Deutschland für Fachkräfte aus dem Ausland attraktiver werden kann.

In unseren Lokalbeiträgen erfahren wir beim Verein Mosaik Köln Mülheim, wie er Flüchtlingen hilft, beim Verein IFAK in Bochum, wie er Kindern und Jugendlichen mit Migrations- und Fluchtgeschichte hilft und in Wuppertal, welche Ausbildungsangebote der gemeinnützigen GESA GmbH sich an Zuwanderer und Flüchtlinge richten.

Viele politische Kampfbegriffe verdrehen Tatsachen. So prägt das Schlagwort „irreguläre Migration“ das Gespräch über Flucht und Asyl. Auch Journalisten unterschiedlichster Couleur erwecken damit den Eindruck, da erschlichen sich Menschen widerrechtlich Zugang ins Land. Es geht noch oller: Ein Gesetzentwurf der CDU/CSU-Bundestagsfraktion vom 9. September zielt auf eine „Begrenzung des illegalen Zustroms“ von Nicht-EU-Bürgern nach Deutschland – die Union pflegt den Mythos des kriminellen Ausländers! Wer so redet, unterschlägt, dass die EU reguläre Wege zum Asyl zunehmend verbaut hat, sodass Menschen also nur mehr sogenannte irreguläre Wege bleiben, die zudem Leib und Leben gefährden. Kann man gegen eine Regel verstoßen, die man überhaupt nicht befolgen kann? Außerdem werden rund 70 Prozent der Asylanträge in Deutschland positiv beschieden – laut der NGO Pro Asyl, die die Zahlen des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) kritisch aufbereitet hat. Demnach nehmen also die meisten dieser Menschen nur ihr Recht wahr, vor existentiellen Bedrohungen wie Krieg und Verfolgung zu flüchten. Wer das verurteilt, darf die ob des Wahlkampfs vielleicht nicht gar so besinnliche Zeit trotzdem nutzen, sich eines Besseren zu besinnen. In diesem Sinn, schöne Feiertage, guten Rutsch!

Dino Kosjak/Chefredaktion

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