Die Ausstellung, die das Kunstmuseum Bochum zur Erinnerung an Norbert Tadeusz zeigt, teilt viel über diesen im Juli verstorbenen Künstler mit. Zwar sind hier, im zweiten Obergeschoss auf dem Weg zur Bibliothek, lediglich elf Bilder zu sehen – für mehr wäre in dieser angenehm spontan eingerichteten Schau gar nicht der Platz. Aber die zehn Gemälde auf Leinwand und die eine frühe Hinterglasmalerei von 1965 umgreifen exemplarisch das ganze Werk und führen vor Augen, warum Norbert Tadeusz zu den wichtigen figürlichen Malern der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts zählt.
Norbert Tadeusz ist seit den 1970er Jahren radikaler und malerischer als die meisten deutschen Realisten, die zu dieser Zeit den Kunstmarkt dominieren. Einige von ihnen sind parallel dazu in der Ausstellung zum Studio Jaeschke zu sehen. Tadeusz' zentrales Thema ist der Körper im Raum, in seiner Leiblichkeit in diesen verspannt und aus atemberaubenden Perspektiven erfasst. Ein Modus dazu ist für Tadeusz die Peepshow mit dem Ausschnitt in den dunklen Raum: Die Spiegel ermöglichen die Allansichtigkeit des weiblichen Aktes in seinen extremen Bewegungsabläufen. Dies geht bei Tadeusz mit symbolischen Bezügen einher, so hat er auch – wie vor ihm etwa Rembrandt – Schlachtvieh gemalt und die Form des Kreuzes betont.
Daneben hat er Landschaften, Stillleben und Pferderennen gemalt, die er besonders in der Nähe seines zweiten Wohnsitzes in Italien besucht hat. Nun werden auch die Formate riesig und außergewöhnlich in ihrer Höhe oder Breite. Und Tadeusz bleibt bei allem ein wahrer Maler, der mit Licht und Schatten inszeniert und mit der Verkürzung aus ungewöhnlicher Perspektive handelt und im Farbauftrag immer stofflich ist und mit all dem die Kunstgeschichte reflektiert.
In den 1980er Jahren wurde Norbert Tadeusz zu den „Paten“ der figurativen „Neuen Wilden“ gerechnet. Mit einem Mal gehörte er, der sich aber schon davor nicht über mangelnde Beachtung beklagen konnte, zu den berühmten Malern seiner Generation, der allen Ismen zum Trotz an seiner Auseinandersetzung mit Figur festhielt. Norbert Tadeusz war auch als Lehrer einflussreich. 1940 in Dortmund geboren, hat er dort an der Fachhochschule bei Gustav Deppe und dann an der Kunstakademie Düsseldorf u.a. bei Joseph Beuys studiert. Bis zu seinem Tod hat er in der Landeshauptstadt gelebt. Später hat er als Professor zunächst in Münster, der Außenstelle der Düsseldorfer Akademie, dann in Karlsruhe und Berlin unterrichtet.
Eingeleitet wird die Bochumer Ausstellung, die nun vorübergehend die Dauerpräsentation von Tadeusz auf der Insel Hombroich ergänzt, mit Bildern der letzten Zeit. Sie bezeugen seinen Respekt gegenüber Fujiwara Takaobu, einen japanischen Meister der Porträtmalerei im 13. Jahrhundert, von dem Tadeusz bereits zu Studienzeiten beeindruckt war. Nur vermeintlich scheinen sich diese Porträts vom japanischen Künstler in ihrer Statik und Zentrierung vom sonstigen Werk zu unterscheiden. Denn als Maler, der stofflich, aus dem Duktus heraus formuliert, bleibt sich Tadeusz treu. Aus seiner Hommage wird nun in Bochum eine Hommage an ihn selbst.
„Hommage à Norbert Tadeusz“ I Bis 23.10. I Kunstmuseum Bochum I 0234 910 42 30
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