Versucht man, ein Bild der Gegenwart anhand der Medienberichterstattung zu zeichnen, könnte man beinahe ein apokalyptisches Szenario entwerfen. Dennoch, mahnt Stephan Heuschen, solle man sich von solchen negativen Eindrücken nicht täuschen lassen. Heuschen ist seit fast einem Jahr im Zentrumfür gute Taten e.V. verantwortlich für die Presse- und Medienarbeit sowie für Beratung. Der Leitgedanke der Freiwilligenagentur sei, Menschen, die ein Ehrenamt anzubieten haben und solche, die eines suchen, auf einer Plattform zu vereinen. „Es gibt häufig ein falsches Bild vom Ehrenamt. Man denkt oft an das Klischee von Rentner:innen und eher langweiligen Tätigkeiten. Wir versuchen, den Ehrenamtsgedanken vielfältig zu erläutern und in die Zivilgesellschaft zu tragen, aber auch konkret Angebot und Nachfrage zusammenzubringen“, erläutert Heuschen.
In und abseits von Krisenzeiten
Der starke Anstieg des Interesses an ehrenamtlicher Arbeit sei nicht nur auf Krisensituationen zurückzuführen, hat Stephan Heuschen festgestellt. „Sicherlich steigern Krisen wie Kriege auch die Bereitschaft, ein Ehrenamt zu leisten bzw. können ein Motiv sein“, fährt er fort. Die Bereitschaft, auch ohne Entlohnung Gutes für die Gesellschaft zu tun, sei grundsätzlich vorhanden. Häufig fehle jedoch das Wissen über das breite Angebot an Möglichkeiten und auch die Überwindung, anfängliche Hürden zu überwinden. So versucht das Zentrum über bestehende Angebote zu informieren, vor allem über individuell passende. Denn der Bedarf und das Angebot seien da, weiß Heuschen aus Erfahrung.
In der Geschäftsstelle können sich Interessenten an zwei Tagen pro Woche oder alternativ online beraten lassen. Dafür werden zunächst gemeinsam ein Interessen- und Eignungsprofil erstellt und im Anschluss Matchings durchgeführt, um geeignete Kontakte und Profile zu verknüpfen.
Besonders optimistisch schaut Heuschen auf die jüngsten Entwicklungen: „Vor allem viele Studierende wollen helfen. Ich finde es generell toll, dass die Bereitschaft da ist. Allein in Wuppertal gibt es eine Quote von 49 Prozent, die ein Ehrenamt machen und die Bereitschaft steigt.“
Steigende Zahlen
Neben dem Wunsch, in einer vitalen Gesellschaft einander helfen zu wollen, unabhängig von finanzieller Entlohnung, gibt es auch andere Motive, die Menschen dazu bewegen, freiwillig Gutes zu tun. Heuschen erinnert sich besonders an eine Interessentin: „Sie war nicht nur neu in der Stadt und wollte durch ein Ehrenamt neue Kontakte knüpfen, sondern auch die Sprache besser erlernen“.
Natürlich gebe es den Gedanken, dass jeder Einzelne sich vom Staat und der Gesellschaft nehmen könne, was er wolle, wie in einem Dienstleistungsverhältnis. Das sei ein weit weitverbreitetes Klischee, so Heuschen. Dagegen verweist er auf grundsätzlich steigendes ehrenamtliches Engagament: „Wir verzeichnen bei uns ganz klar eine eindeutige Tendenz nach oben. Der Anteil von Über-60-Jährigen ist noch hoch, aber auch andere betätigen sich immer mehr, besonders jüngere Menschen. Es gibt sogar Kommunen in NRW, deren Ehrenamtsquoten bei über 50 Prozent liegen und dieses Phänomen gibt es auch ohne akute Krisen.“
GEBEN UND NEHMEN - Aktiv im Thema
mpg.de/436210/forschungsSchwerpunkt1 | Beitrag der Historikerin Ute Frevert über „Die Geschichte der Gefühle“
klimawandelanpassung.at/newsletter/nl40/kwa-motivationanpassung | Kompakter Überblick über Faktoren, die Menschen angesichts des Klimawandels (nicht) zum Handeln motivieren.
fra.europa.eu/sites/default/files/fra_uploads/fra-2018-effectively-communicating-human-rights-booklet_de.pdf | Die Handreichung der Agentur der Europäischen Union für Grundrechte (FRA) fasst zusammen, wie sich Menschenrechte gut vermitteln lassen.
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