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Zufrieden mit der Stadtentwicklung, Herr Engels?
Foto: Ava Weis

Unser aller Revolutionär

04. Mai 2015

Stadtführung durch Friedrich Engels' Wuppertal am 1. Mai

„Wir sind das Tal der Spinner.“ Mit diesen Worten von Jürgen Holzhauer beginnt am Tag der Arbeit eine amüsante Stadtführung zu Friedrich Engels, dem „wohl berühmtesten und wichtigsten Sohn dieser Stadt“.

In gut zwei Stunden erzählt und zeigt der Stadtführer die „Dinge, die für Friedrich damals schon bestanden“ beziehungsweise die Gebäude und Plätze, die seinen Tod überdauert haben. Nebenbei gibt es noch allerlei nebensächliche, aber interessante Anekdoten über die teils traurigen, teils lustigen Geschichten, die in Unterbarmen stattgefunden haben. Ausgangspunkt ist das elterliche Grab am Unterbarmer Friedhof, weiter verläuft die Tour zum Haspel und entlang der Friedrich-Engels-Allee bis hin zum Engels-Haus, organisiert von Wuppertal Touristik.

Die erste Anlaufstelle ist der Unterbarmer Friedhof, den Friedrich Engels Großvater zu Lebzeiten noch gesponsert hat und auf welchem die nun verfallenden Grabsteine der Familie Engels stehen. „Eigentlich schäme ich mich ein bisschen als Wuppertaler dafür. Denn, man kann es drehen und wenden, wie man will, weltweit ist Friedrich Engels ein klangvoller Name und hat unsere Heimat weltweit bekannt gemacht. Hier haben wir keine Familienmitglieder mehr, die willens und in der Lage sind, dieses Grabfeld zu pflegen“, erklärt Holzhauer den desolaten Zustand der Gräber, deren Steine teilweise bereits auseinander gebrochen sind.

Zwar sei Friedrich selber gar nicht im Tal begraben worden, da seine Asche nach seinem Tod 1859 im Britischen Kanal verstreut wurde, doch stimme es schon traurig, die einst imposanten Grabsteine verfallen zu sehen. „Hier sollte man wirklich nochmal an alle Menschen appellieren, wenn es euch bedacht ist, hier habt ihr die Chance, für den wahrscheinlich größten Sohn unserer Heimat etwas zu tun.“

Engels Sozialisierung

Holzhauer erzählt weiter davon, wie der 1820 in Barmen als Ältester von neun Kindern des Textilfabrikanten Friedrich Engels sen. geborene Friedrich dank seiner wohlhabenden Familie recht sorglos aufwuchs, später durch das Geld aus dem Verkauf der Fabriken in Manchester sogar den bettelarmen Marx mit versorgen konnte. Dennoch wurde er zu einem der größten Kämpfer für die Rechte der Arbeiterschaft, der sich mit seiner pietistischen Erziehung kritisch auseinander setzte und 1894 an der Schlacht an der großen Barrikade Ecke Herzogstr/Wall teilnahm, an die dort heute Plaketten erinnern.

Die Geschichten sind nicht immer stringent, hier und da poppen einzelne Episoden aus Engels' Leben auf. Genauso wie die Stellen, die für ihn Bedeutung hatten oder gehabt haben könnten.

An der Friedrich-Engels-Allee, die 1913 unter Napoleon als eine der ersten befestigten Straßen Deutschlands fertig gestellt worden war, aber natürlich noch nicht so hieß, steht zum Beispiel das alte Hotel „Stadt London“ an der Ecke zur Heinz-Kluncker-Straße. Hier brachte Engels im Alter von fünfundzwanzig Jahren seine Mitstreiter, wie den Frühsozialisten Moses Hess aus Bonn, heimlich unter. Heute ist es durch die Verkleidung kaum zu erkennen, zeugt aber von einer frühen Beziehung zu Großbritannien und den Niederlanden.

Ebenso kann man die sogenannten Shedddächer, geriffelte Dächer mit Glaseinsätzen, sehen, die aus England abgeschaut für eine natürliche Beleuchtung in den Fabriken sorgen sollten.

Auf unserem Weg Richtung Barmen zeigt uns Holzhauer den „Charme der Hinterhöfe“, die Papier- und Textilmanufaktur Frauke Kafkas, in der es noch „Barmer Artikel“, wie Bänder, Spitzen und Litzen zu kaufen gibt und das „Allee-Stübchen“ von 1804, in denen die Bandwirker ihre Feierabend-Schnäpse tranken und wahrscheinlich auch Engels das ein oder andere Mal abgestiegen ist.

An der ehemaligen „Not-Kirche“, die auf Grund des immensen Bevölkerungs-wachstums gebaut wurde und wo sich heute ein Antik-Laden findet, geht es ebenso vorbei wie an der dann 1822 fertig gestellten Unterbarmer Evangelischen Haupt-Kirche, in der Engels konfirmiert wurde.

Familie Engels und die Arbeiterschaft

Während wir an altehrwürdigen Häusern vorbei gehen, erfahren wir, dass die Familie Engels ihren Arbeitern, im Gegensatz zum Großteil der anderen Arbeitgeber, Schulbildung zuteilwerden ließ. Immerhin lebten 1836 rund 3555 Menschen um die Engels-Häuser, von denen die Meisten Angestellte waren. Man errichtete eine Schule in unmittelbarer Nähe, die von Bomben im Zweiten Weltkrieg allerdings zerstört wurde. Junior selbst besuchte zuerst diese Elementarschule, danach das Gymnasium Dörpfeld.

Das 1775 von Engels Großvater errichtete Engels-Haus erreichen wir mit ein wenig Verspätung, dafür bekommen wir aber noch eine weitere Portion Geschichte serviert. Holzhauer berichtet nicht nur, wie Engels 1849 fliehen muss, nachdem er fast seine gesamte Anhängerschaft verloren hatte, sondern auch, dass die ehemalige „Elefanten-Apotheke“ an der Haltestelle „Adlerbrücke“ bereits dreißig Jahre vor Tuffi so hieß.

Wir betrachten zum Schluss die 4,5m hohe Statue, die mittlerweile ein wenig grünlich schimmert und bekommen die letzte Information, dass Engels zwar keine Nachkommen hinterließ, jedoch einen Tag vor ihrem Tod seine langjährige Freundin, die Irin Lizzy Burns, geheiratet hat.

„Er war nicht der schlechteste Mensch, den man sich vorstellen kann. Nur, was dann später in seinem Namen alles weltweit passiert ist, dafür kann man Engels nicht haftbar machen. Er hatte, da bin ich von überzeugt, ein gutes Herz, was das Los der geknechteten Arbeiterschaft anbetrifft. Vieles wäre besser anders gelaufen, hätte uns viel Frust erspart in unserer Geschichte.“

Ava Weis

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