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Ulrich Klan (m.) verknpüfte biographische, künsterlerische und politische Bezüge
Foto: Martin Hagemeyer

Ermunterung zur Solidarität

24. Oktober 2024

Stadtrundgang im Rahmen der Armin-T.-Wegner-Tage – Spezial 10/24

Auch der Vormärz steckt in Elberfeld. Demokratische Aktion im Vorfeld der Revolution von 1848 ist einer der vielleicht erstaunlichen historischen Bezüge, die bei einer Führung durch die City auftauchten. Erstaunlich, weil die Metalltafeln auf dem Asphalt, die Auskunft geben zu hier gefallenen Barrikadenkämpfern, kaum zu den Dingen zählen, die einem an dieser Stelle sonst auffallen – vor der Drogerie auf dem Weg zum Von-der-Heydt-Platz, umrahmt von zwei Billigmodeläden. Erstaunlich auch deshalb, weil der Titel der Tour andere Bezüge verhieß: „Ich bin verliebt in meine zahnbröckelnde Stadt“ verwies auf Else Lasker-Schüler als Zitatgeberin; und da Teil der Armin-T.-Wegner-Tage, war auch dieser Elberfelder Dichter und Zeitgenosse „Elses“ thematisch gesetzt. Sonst eigentlich nichts.

Zu den Füßen

Doch auch zum 19. Jahrhundert gab es an diesem Sonntagvormittag sehr lebendige Hinweise, und dass mit Ulrich Klan der Chef der Wegner-Gesellschaft sie gab, sagt einiges aus: Mit dem aus dem Briller Viertel stammenden Schriftsteller Wegner (1886 bis 1978) hat Wuppertal neben der bekannteren Lyrikerin Lasker-Schüler gleich zwei Literat:innen, zu deren Würdigung sich dezidiert politische Literaturgesellschaften gründeten.

Und so war denn die Führung voll mit Verweisen auf Politik von gestern und heute – teils, doch nicht ausschließlich aus Lebzeiten der zwei und zuweilen frech: Vor dem mächtigen Gebäude des kürzlich geschlossenen Kaufhofs sagte Klan: „Wegner hat ein Gedicht zu Warenhäusern verfasst, das verboten wurde, weil er sie als ‚Huren‘ bezeichnete. Der Gedichtband wurde daraufhin ein großer Erfolg.“

Warenhaus-Dichtung

Gestartet war der Weg im Zeichen von Else Lasker-Schüler, der jüdischen Dichterin: An der Begegnungsstätte Alte Synagoge war nicht nur vom architektonischen Konzept des Vermittlungsorts zu hören, errichtet am Ort des von den Nazis niedergebrannten Gotteshauses – so ist ein Teil der Fassade symbolisch schräg nach vorn gekippt. Auch Lasker-Schülers Drama „Arthur Aronymus und seine Väter“ kam hier zur Sprache, wie auch ihre eher reservierte Haltung zum Zionismus; in dem Stück von 1932 geht es um Toleranz zwischen Juden und katholischen Christen. Dass Lasker-Schülers Familie diese Synagoge besucht hat, so Klan, sei nicht allzu wahrscheinlich – religiös habe diese ihr Judentum kaum verstanden.

Das Programm der Armin-T.-Wegner-Tage spiegelte weitere Facetten des Schriftstellers, darunter die Wuppertaler Erstaufführung des Schauspiels „A Mission for Sisyphos“, das in Anknüpfung an den existentialistischen Schriftsteller Albert Camus (1913-1960) zu Solidarität in aktuellen Konflikten ermunterte. Zu Wegners Engagement zählte unter anderem, die osmanischen Verbrechen an den Armeniern bekannt zu machen – und sich zugleich um Verständigung mit der türkischen Seite zu bemühen. Vorgestellt wurde zudem der neu veröffentlichte Briefwechsel zwischen Wegner und seiner Frau Lola Landau, einer jüdischen Lyrikerin.

Pfannkuchen und Rummel

Dass Wegner auch Pazifist war, sollte dann bei der besagten Vormärz-Station benannt werden: Uli Klan ist auch Musiker und bei Lebenslaute aktiv, einem bundesweiten Netzwerk für musikalisch-politische Aktion; hier und anderswo wechselte er in Sekunden vom Sachvortrag ins Singen zur Gitarre – sowie ins Deklamieren von Wegner-Worten: „Nie werde ich ertragen, dass ihr euch für das Geschäft des Krieges einsetzt.“ Die musikalischen Einlagen, von Passanten erstaunt registriert, taugten auch bestens als Beispiel für ein Prinzip, das der Tourführer also nicht nur zitierte: „Man muss auch unterhaltsam sein.“ So habe es ein verstorbener „Aborigine“, ein Bekannter Klans, formuliert – und Klan, nie faul um passende Bezüge, sah das auch bei Lasker-Schüler verwirklicht. Die Teilnehmerschar hörte dazu deren schönen Wunsch: „Wir gründen einen Rummelplatz für Juden und Araber, den beide Völker besuchen werden und wo sie gemeinsam Reibepfannkuchen essen.“ Das war übrigens beim Stopp auf dem Armin-T.-Wegner-Platz nur einer von einigen Berührungspunkten zweier Elberfelder:innen, die sowohl literarisch als auch politisch manches verband.

Martin Hagemeyer

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