Für den Lernbauernhof Schulte-Tigges sind es die beiden wichtigsten Tage im Jahr. Knapp 200 Haushaltsvertreter:innen reisen am Freitag und dem darauffolgenden Samstag zur Solidarischen Landwirtschaft (kurz: Solawi) in Dortmund-Derne an. Bei der sogenannten „Bieterrunde“ geben die Verbraucher:innen an, wie viel sie für ihre jeweiligen Anteile bezahlen wollen und können. „Wir wissen heute noch nicht, ob wir das Budget zusammenkriegen“, sagt Elmar Schulte-Tigges, der im Jahr 2014 mit seiner Frau Miriam und weiteren Mitstreiter:innen die Solidarische Landwirtschaft ins Leben rief.
Denn für den Bauernhof stellt sich erst an diesem Wochenende heraus, wie er für das kommende Jahr planen kann. Das Prinzip: Interessierte bieten eine Summe für die Ernteanteile, wodurch eine Abnahme garantiert ist. Produzierende und Verbraucher:innen teilen sich bei der Solidarischen bzw. gemeinschaftstragenden Landwirtschaft die Ernterisiken. Der Hof kann damit unabhängig von den üblichen Marktschwankungen agieren und auf eine für Mensch und Natur schädliche landwirtschaftliche Praxis verzichten.
„Verbraucher können direkt vorbeikommen und schauen, was wir machen“
Konventionelle Landwirte sind den dynamischen Marktpreisen ausgesetzt. „Das ist bei uns nicht so“, sagt Elmar Schulte-Tigges. „Der Nachbar von nebenan finanziert uns“. Doch mit welchem Budget sie rechnen können, das muss an diesem Wochenende erst ermittelt werden: Wer ist auch im nächsten Jahr dabei? Wollen sich neue Verbraucher:innen auf eine Warteliste setzen lassen? Für den Landwirt ist es aber auch aus zwischenmenschlichen Gründen ein wichtiger Tag. „Heute sind alle da, die das möglich machen.“ Und trotz der zunehmenden Infektionsrisiken soll auch an diesem Wochenende ein Gemeinschaftsgefühl gewährleistet werden. Wer das Gelände betritt, muss sich natürlich an die üblichen Schutzmaßnahmen und an das Hygienekonzept halten. Den Besucher:innen werden Suppe und Getränke angeboten. Auf einem Plakat können Anregungen und Feedback eingetragen werden. In einer Scheune werden zudem Bilder an eine Leinwand projiziert, die einen Eindruck vom landwirtschaftlichen Alltag vermitteln.
Zum eigenen Prinzip gehört auch, dass die Verbraucher:innen jederzeit mitmachen können. Gerade diese Verbrauchernähe ist für den eigenen Betrieb fundamental. Denn Bio-Zertifikate haben sie hier nicht erworben. Zu teurer und zu bürokratisch, lauten die Argumente. „Aber wir arbeiten nach biologischen Kriterien und möglichst bodenschonend“, versichert Katharina Runte aus dem SoLaWi-Team. Schließlich können die Verbraucher:innen kontrollieren, ob Chemikalien gespritzt werden, so Runte: „Die Verbraucher können ja direkt vorbeikommen und schauen, was wir machen. Sie haben das Recht, in die Papiere zu schauen.“
Damit die Ernteprodukte für alle Haushalte möglichst erschwinglich sind, haben sie für die „Bieterrunde“ ein Ampelsystem eingeführt, mit dem alle ihr Budget einschätzen können. Grün bedeutet: Das Gebot ist für den Bietenden finanziell absolut unproblematisch. Rot signalisiert dagegen die wirtschaftliche Schmerzgrenze des jeweiligen Haushalts. „Leute, die nicht ganz so viel Geld haben, können auch dabei sein“, versichert Katharina Runte. „Auch zwischen den Mitgliedern gibt es daher eine Solidarität.“ Auch das gehört zur wirtschaftlichen Jahresplanung der Solidarischen Landwirtschaft.
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