Wuppertal, 12. 6.: Kaffee aus Brasilien, Mangos von den Philippinen, Bananen aus Nicaragua oder Rum aus Kuba. Wer hierzulande in den Supermarkt geht, für den ist es völlig selbstverständlich, Lebensmittel aus der ganzen Welt angeboten zu bekommen. Doch was für uns allenfalls noch den Hauch von Exotik versprüht, hat in der Dritten Welt einen bitteren Beigeschmack. Denn die auf den Export ausgerichtete Massenproduktion von Lebensmitteln steht nicht selten in direkter Konkurrenz mit der Grundversorgung der eigenen Bevölkerung.
„Rum oder Gemüse?“ der Titel eines Dokumentarfilms des Wuppertaler Informationsbüros Nicaragua, bringt diesen Konflikt auf den Punkt: Was hat Priorität in Ländern mit knapper Versorgungslage? Der Hunger der eigenen Bevölkerung oder der Export von Luxusgütern, um die heimische Wirtschaft mit lebensnotwendigen Devisen am Laufen zu halten? Es ist eine Frage, die zu einfachen Antworten verleitet und die doch komplex ist.
Das zeigte die Diskussion, die im Anschluss an die Filmvorführung von „Rum oder Gemüse“ im Rex folgte. Doch zunächst lernen die Zuschauer auf der Leinwand viele Initiativen kennen, die der Turbokommerzialisierung des internationalen Lebensmittelhandels mit ihrem teilweise absurden Preisgefüge und groben Verteilungsungerechtigkeiten, auf lokaler Ebene etwas entgegensetzen. Die Reise führt nach Nicaragua und nach Kuba. Beides von der Natur reich beschenkte Länder, die sich weitgehend autark ernähren könnten, gleichzeitig aber traditionell vom Export ihrer landwirtschaftlichen Güter abhängig sich.
Überall haben sich Kooperativen gegründet, die in beiden Staaten auch politisch gefördert werden. So werden Kleinbauern in Nicaragua seit 2007 durch die Regierung staatlich subventioniert, was die Gründung von zahlreichen innovativen Farmen begünstigt hat. Oftmals wird dadurch gerade auch Frauen eine solide Wirtschaftsgrundlage gegeben.
Auch in Kuba wurde, nachdem das Land in den 1990er Jahren nach dem Zusammenbruch des Ostblocks, dem traditionellen Handelspartner, in eine schwere Versorgungskrise geraten war, nach Möglichkeiten gesucht, das schiere Überleben zu sichern. So wurde auf der ganzen Insel Land an kleinbäuerlich organisierte Genossenschaften verteilt und es entstand das Prinzip des „Urban Farmings“, das es den kubanischen Stadtbewohnern ermöglichte, auf ungenutzten Flächen mitten in den Städten Obst und Gemüse für den Eigenbedarf anzubauen. In ganz Kuba entstanden so urbane Biofarmen, die mit nachhaltigem Wurmdünger eine immer wichtigere Säule für die Lebensmittelversorgung darstellen.
Es sind sympathische Projekte, die allesamt zeigen, dass es Alternativen zu dem von multinationalen Unternehmen dominierten globalen Lebensmittelhandel mit all seinen Auswüchsen wie Genmanipulation, Monokulturen, Massentierhaltung und Lebensmittelspekulation gibt. Anderseits: Brauchen wir in einem Zeitalter, in dem bald 10 Milliarden Menschen auf dem Planeten leben und immer mehr Landbewohner in die Städte ziehen, nicht zuletzt, weil sie vom Leben mehr erwarten als das bescheidene Dasein eines Kleinbauern, nicht auch immer mehr Effizienz in der Landwirtschaft? Immerhin importiert auch Kuba weiterhin billiges Gemüse aus Monokulturen, um die Bevölkerung satt zu machen.
Und so sind die Initiativen im Film dann auch eher als Gegengewicht, denn als grundsätzliche Lösung der globalen Ernährungsungerechtigkeit zu sehen. „Es geht um langfristige Transformationen von sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Strukturen“, sagt im Film ein kubanischer Agrarwissenschaftler.
Im Rex-Kino steht nach der Filmpräsentation die Andrea Fütterer, Mitarbeiterin des größten europäischen Fair-Trade-Hauses GEPA, vor dem Filmpublikum und sagt: „Export und Eigenversorgung sind kein Wiederspruch, sondern durchaus komplementär zu betreiben.“ Sie weist darauf hin, dass es beim Eintreten für nachhaltige Produktionsformen vor allem auch darum geht, Handelsbeziehungen wieder in die richtige Richtung zu lenken. „Gerade die Freihandelsabkommen machen die Position der Dritten Welt noch schwächer. Gleichzeitig ist eine diversifizierte Landwirtschaft wichtig, um Böden nachhaltig ertragreich zu machen und menschengerechte Arbeitsstrukturen in der Landwirtschaft zu schaffen.“
Dass die Frage der globalen Ernährung dabei auch viel mit dem eigenen Bewusstsein zu tun hat, zeigt ein Vortrag von Greenpeace-Aktivistin Petra Daniels. Sie hat sich mit den zahlreichen Pestiziden in der Landwirtschaft, auch in Deutschland, und dem enormen Flächenverbrauch für die Tierfutterproduktion – fast die Hälfte der landwirtschaftlichen Gesamtfläche – beschäftigt. Klaus-Dieter Heß vom Informationsbüro Nicaragua ergänzt: „In Nordrhein-Westfalen verbrauchen wir 3,6-mal mehr Lebensmittel, als wir produzieren könnten.“
Die Zuhörer erfahren einmal mehr: Die gerechte Verteilung von Lebensmitteln fängt bei jedem einzelnen an – mit einem bewussteren Konsumverhalten. Immerhin: Das Thema nachhaltige Lebensmittelproduktion hat in letzter Zeit deutlich an Bedeutung gewonnen. So ist „Urban Gardening“ eine immer beliebtere Form des alternativen Gartenanbaus. Andrea Fütterer von der Wuppertaler GEPA: „Durch diesen Boom ist sogar der in Deutschland bereits totgesagte Studiengang der Gartenbauwissenschaften wieder sehr populär geworden.“
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