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Kampf der Interessen

22. Dezember 2015

Die EU, der zahnlose Steuertiger? – THEMA 01/16 GERECHT STEUERN

Die Europäische Union – ein zahnloser Tiger in Sachen Steuern? Die EU erhebt ja nicht mal Steuern selbst, ist deshalb also machtlos, könnte man jetzt behaupten. Bis auf die Besteuerung der Einkommen ihrer Bediensteten gibt es keine „EU-Steuer", die Brüssel direkt zugutekommt. Und die macht nur weniger als einen Prozent des europäischen Gesamthaushaltes aus. Über alle weiteren Abgaben von der Einkommens- bis zur Erbschaftssteuer haben die Mitgliedsstaaten die Hoheit. Im vergangenen Sommer diskutierte Europa immerhin über die Einführung eigener Steuern. Daran gekoppelt war ein europäischer Finanzminister, der über einen eigenen Haushalt verfügen könnte. Das deutsche Finanzministerium tat die Idee zunächst als langfristiges Projekt ab, es seien nur erste Überlegungen gewesen. Gefüllt werden könnte der Haushalt dann aus der Mehrwert- und Einkommensteuer, berichtete das Magazin Spiegel.

Wichtigstes Instrument, das Brüssel bezogen auf Steuern vorlegen kann, ist die Harmonisierung von Steuern zwischen den Mitgliedsstaaten. Treiben zwei Länder Handel, deren Steuern unterschiedlich sind, so kann es zu Problemen kommen. Als besonders schwerwiegend gilt das bei der Mehrwertsteuer, die eine Spanne von 15 bis 25 Prozent bei den einzelnen Ländern erreicht. Ein Beispiel für die Harmonisierung der Mehrwertsteuer: Ein Hersteller aus Land A liefert an einen Kunden aus Land B. Das Bestimmungslandprinzip regelt, dass die Steuer nur im Zielland B bezahlt werden muss. Hat der Hersteller schon in Land A berappt, bekommt er die Steuern in einem Grenzausgleichsverfahren zurück.

Dieses Prinzip gilt in der EU größtenteils, es sorgt dafür, dass eine gewisse Neutralität im Wettbewerb des Landes herrscht, in das exportiert wird. Das zweite Prinzip gilt aktuell für den privaten Reiseverkehr: Das Ursprungslandprinzip. Dort werden die Steuern des Landes angesetzt, aus denen die Waren und Dienstleistungen kommen. Als Beispiel gilt hier der Kauf eines gebrauchten Autos im Ausland – Neuwagen sind von der Regelung ausgenommen. Der Käufer des Wagens muss dann die Umsatzsteuer zahlen, die im Herkunftsland des Fahrzeuges gilt. Eine weitere Harmonisierung fand 1992 statt, als die Steuern für Mineralöl, Tabak und Alkohol angepasst wurden.

Aus Brüssel sollten auch rechtliche Vorgaben für die Mitgliedsstaaten gelenkt werden. Es ist aber nicht immer so einfach, alle Länder und deren Interessen unter einen Hut zu bringen. Ein Running Gag ist mittlerweile das Geschacher um die Einführung einer EU-weiten Finanztransaktionssteuer geworden. Bis zum 8. Dezember konnten sich die Finanzminister der Länder nach zwei Tagen der Verhandlungen nicht mal ansatzweise in die Nähe einer Einigung bewegen. Unter Führung von Deutschland und Frankreich versuchen mittlerweile nur noch zehn Staaten, die Steuer bis 2016 durchzubringen.

Die Finanztransaktionssteuer soll eine Steuer sein, die auf den Handel von Banken- und Börsengeschäften erhoben wird. Darunter fallen Aktien, Derivate oder Anleihen. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) hat eine schier unglaubliche Summe ausgerechnet, die schon eine geringe Besteuerung aller Transaktionen auf dem Finanzmarkt alleine für Deutschland einbringen würde: 45 Milliarden Euro im Jahr! Frankreich könne jährlich 36 Milliarden einnehmen, Italien sechs Milliarden. Was man mit dem Geld alles finanzieren könnte, möchte man sich kaum ausmalen. Widerstand gibt es unter anderem von den Verbänden der deutschen Wirtschaft, die Einbußen beim Wachstum befürchten. Das Projekt scheitert bislang vor allem am Veto unter anderem von Großbritannien, das eine solche Steuer schon fast traditionell ablehnt. Die Gespräche sollen nun Anfang des neuen Jahres fortgesetzt werden.

Auch die Besteuerung großer Unternehmen hat die Beamten in Brüssel in der letzten Zeit schwer beschäftigt und wird das weiter tun. Anfang Dezember leitete die EU-Kommission ein Prüfverfahren gegen den amerikanischen Burgerbrater McDonalds ein. In Luxemburg soll der Global Player Absprachen mit Behörden getroffen haben, um dadurch trotz hoher Gewinne keine Körperschaftssteuer entrichten zu müssen – und das laut tagesschau.de trotz eines kolportierten Überschusses von mehr als 250 Millionen Euro. Der Konzern dementiert das nicht. Ob McDonalds Steuern nachzahlen muss, steht noch in den Sternen (des Prüfverfahrens).

Experten fordern deshalb, dass die EU-Kommission noch mehr Druck auf die Unternehmen machen soll und darf. Am einfachsten wäre es vermutlich, wenn die Konzerne ihre Steuern dort zahlen würden, wo sie ihr Geld auch verdienen – in jedem einzelnen Land, wo einzelne Produkte verkauft werden. Aber was ist in Sachen Steuerpolitik schon einfach?


Aktiv im Thema

www.euractiv.de | Medium für Europapolitik
www.diw.de | Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung
netzwerksteuergerechtigkeit.wordpress.com | Netzwerk Steuergerechtigkeit

Lesen Sie weitere Artikel
zum Thema auch unter: choices.de/thema und trailer.de/thema

Thema im Februar: GUTE ZEIT – Statt guter Vorsätze, weg mit dem Pessimismus! Gute Nachrichten von hier und aus anderen Ländern.
Projekte von Staaten, Kommunen und Initiativen, die Mut machen.

 

Florian Schmitz

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