Knapp zwei Monate harrten die Spanier:innen unter strengsten Ausgangsbeschränkungen aus. Allmählich weicht der Lockdown einer Zuversicht. Doch Spanien ächzt – wie viele europäische Nachbarn – unter den ökonomischen Folgen der Pandemie. Allein im März meldeten sich 302.265 Menschen arbeitslos. Der Tourismus, die wichtigste Branche, ist völlig kollabiert. Die gesamte Wirtschaft könnte im laufenden Jahr um vier Prozent einbrechen. Andere Prognosen sehen eine noch düstere Zukunft.
Madrid ringt daher seit Wochen um einen Plan für die Zeit nach der Pandemie. Dazu zählt der Kampf um die sogenannten „Corona-Bonds“, die durch eine gemeinsame Schuldenaufnahme der EU-Staaten eine schlimme Rezession abfedern sollen. Zu den Maßnahmen zählt die Koalitionsregierung aus der sozialistischen PSOE und der linksalternativen Unidas Podemos (UP) auch ein Grundeinkommen.
Auf dieses einigte sich die Regierung unter Ministerpräsident Sánchez bereits im Koalitionsvertrag. Die Corona-Krise könnte nun ermöglichen, das Vorhaben noch in der aktuellen Legislaturperiode umzusetzen. Die über 3,5 Millionen Menschen, die durch die Pandemie ihre Anstellung oder ihre Aufträge als Selbstständige verloren haben, können daher hoffen. Wirtschaftsministerin Nadia Calviño kündigte ein „lebenslanges Grundeinkommen“ an. Es sei „nicht nur für diese Ausnahmesituation, sondern für immer“, betonte sie gegenüber der spanischen Presse.
Den sozialen Klassen der Arbeitenden und Mittellosen können die Zahlen, welche die Koalition noch im vergangenen Dezember vorstellte, Mut machen: Familien mit zwei Kindern sollten etwa 1.100 Euro im Monat erhalten. Die Kosten dafür wurden auf 3,5 Milliarden geschätzt. Das klingt zunächst viel. Doch allein infolge des Ausnahmezustands wurden für sozialwirtschaftliche Maßnahmen rund 200 Milliarden Euro verheizt. Und wer nicht den Blick auf Förderprogramme anderer Länder wie z. B. die „Abwrackprämie“ der Bundesrepublik scheut, bemerkt ebenso Kosten von 1,2 Milliarden Euro. Das kam der deutschen Autoindustrie zugute. Der soziale Ertrag: null. Die ökologische Bilanz: verheerend.
Das war in den Finanzkrisenjahren 2008/09. Und die Folgen dieser Zeit geistern wieder durch die spanische Gesellschaft. Damals platzte eine riesige Immobilienblase, die Konjunktur stürzte in den Keller. Aufkommen mussten dafür Beschäftige und Lohnabhängige. Die damalige konservative Regierung unter Mariano Rajoy schnürte ein sogenanntes „Sparprogramm“, das trotz aller Proteste auf den Straßen durchgedrückt wurde. Es dauerte fünf Jahre, bis die Wirtschaft wieder wuchs. Eine Dekade lang litten große Teile der Bevölkerung unter der brutalen Kürzungspolitik.
Nun fragen sich viele, ob diese Entbehrungen umsonst waren. Der linksorientierte Vizepremier Pablo Iglesias, Vorsitzender des Bündnisses Unidas Podemos, preschte in der aktuellen Krise vor. Neben einer Reichensteuer forderte er ein bedingungsloses Grundeinkommen. Doch nicht nur die konservative Opposition bekämpfte die Reformpläne. Auch Wirtschaftsministerin Calviño ruderte zurück. Nicht finanzierbar, argumentierte die umstrittene Ministerin, die ihre Wirtschaftskenntnisse als Budgetdirektorin der EU-Kommission erwarb.
Am Ende könnte ein Kompromiss stehen, bei dem Mittellose das Grundeinkommen erhalten. 450 Euro soll es für Alleinstehende geben, 950 für Familien. Zudem sollen die Beträge mit der Sozialhilfe verrechnet werden. Hoffnung bedeutet das vor allem für befristet und prekär Beschäftigte, in Spanien ist das jede:r Vierte.
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