Ein Arbeitergehalt genügte früher, um eine Familie zu ernähren. Vier Wände und ein Dach überm Kopf waren inbegriffen und oft buchstäblich die eigenen. Das scheint passé. Zweizimmer-Kaltmieten überschreiten locker 800 Euro, sodass es sich für mehr und mehr Menschen nicht erst mit dem Traum vom Eigenheim hat – sondern schon mit dem Grundbedürfnis, zumutbar oder sogar gut zu wohnen. Dazu lassen sich flapsige Geschichten spinnen, etwa von der Hipsterisierung der Bezirke, in denen sich bärtestrotzende Unternehmensberater und yogagestählte Privatmentorinnen mit ihrem Nachwuchs in gepanzerten SUVs aufmachen zum Familienausflug im Latte-Rucola-Hochglanzviertel. Daran entzünden sich auch scharfe Debatten über angebliche Forderungen nach Enteignung von VermieterInnen und Wohnungsgesellschaften.
Ein Teil des Problems ist mit dem Reizwort Gentrifizierung angesprochen. Wird ein Bezirk attraktiver und mangelt es an Wohnraum, dann vertreibt eine zahlungskräftigere Klientel leicht die angestammte. Gäbe es dagegen genug Wohnungen, könnten AltmieterInnen sich behaupten und mit ihnen der Eckladen und WählerInnen, auf die die Politik weiterhin Rücksicht nehmen muss. Wäre jedenfalls zu erwarten. Der Erhalt des Alten sollte zudem im Interesse der neuen AnwohnerInnen sein; denn die Gegend wird an Charme einbüßen, wenn offene Kunstateliers und Jazzkneipen austauschbaren Gastro-Franchises und Konsumtempeln weichen.
Noch furchteinflößender ist das Schlagwort der Wohnungslosigkeit, denn sie hat schon so manchen gegen alle Wahrscheinlichkeit erwischt. Rund 860.000 Wohnungslose gibt es in Deutschland nach einer Schätzung der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe aus dem Jahr 2016. Wie es um sie steht, hat nun eine Studie des Diakonieverbands Ebet gefragt. Rund ein Viertel der Wohnungslosen lebt danach auf der Straße, ist also nicht nur wohnungs- sondern obdachlos.
Ums große Geld für eigentlich Unbeteiligte geht es schließlich in der Immobilienspekulation. BeobachterInnen stellen fest, dass Boden in Deutschland noch nie so teuer war wie heute, und es werden Forderungen laut nach einer „Bodenwende“. ImmobilienspekulantInnen freuen sich über Wertzuwächse fraglicher Baugründe, zumal sie dafür nichts tun müssen: Die Zuwächse folgen vornehmlich aus der Entwicklung des Umlandes mittels öffentlicher Gelder. Ob es überhaupt ein Recht darauf gibt, ohne eigenes Zutun mit Boden Gewinne zu machen, ist umstritten. Die drastischen Folgen für die Allgemeinheit liegen dagegen auf der Hand. Sie wird darüberhinaus ihrer eigenen Leistungen beraubt, wenn ein erheblicher Teil der Spekulationsgewinne durch Geldwäsche verschleiert wird, wie aus einer Studie der Uni Halle hervorgeht.
Offenbar haben wir ein komplexes bundesweites Wohnproblem. Im Monatsthema RECHT AUF WOHNEN fragen wir: Woher kommt es? Was richtet es an? Was tun wir dagegen?
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