Gerade noch hegt Don Magnifico herrlichste Hoffnungen. Eine seiner Töchter, Clorinda oder Tisbe, wird die Gattin des jungen Fürsten Ramiro sein. Und dann kommt es urplötzlich anders: Der Stallmeister entlarvt sich als Fürst, der vermeintliche hohe Herr ist nur der Kammerdiener. Und keine der beiden Schwestern hat eine Chance. An dieser Stelle hält Gioachino Rossini die Handlung in seiner Oper „La Cenerentola“ an, und alle sechs Menschen auf der Bühne verfallen in tiefe Verwirrung. Ein unlösbarer Knoten zieht sich in den Gehirnen zusammen, die Köpfe beginnen zu kreisen.
Rossini zerlegt die Worte seines Librettisten Jacopo Ferretti in ratternde Salven einzelner Silben. Man hört nur noch rhythmische Geräusche: „rrrin“ und „grrrup“ und „lupp“ und „to“. Das Sextett ist ein Meisterwerk des Nonsens, eine Frühform von Dada und ein köstlicher Gruß aus Rossinis musikalischer Küche. Dass ihre in die Asche des Kochherds zurückgemobbte Schwester Angelina die Hand von Don Ramiro erhält, will weder dem aufgeblasenen Vater noch den egozentrischen Mädchen in den Kopf gehen. Doch Rossini lässt das noble Herz der „Cenerentola“ über alle Eitelkeiten der Welt triumphieren.
Zum Genuss serviert wird die heitere wie tiefsinnige Geschichte vom Aschenputtel rechtzeitig zu Weihnachten ab 17. Dezember an der Oper Köln. „La Cenerentola“ galt schon den Zeitgenossen Rossinis als Höhepunkt der italienischen Opera buffa, in der alle Elemente gleichmäßig perfekt und wie aus einem Guss gestaltet sind. Gleichzeitig entwickelt sie sich zur Charakterkomödie weiter, sind die Figuren nicht mehr nur aus altbekannten Rollentypen abgeleitet. Eine lohnende Aufgabe für die mit Rossini vertraute italienische Regisseurin Cecilia Ligori („L’Italiana in Algeri in Fano“, „Semiramide“ am Teatro La Fenice in Venedig), die mit diesem Traum einer von Güte und Versöhnung geprägten besseren Welt ihr Debut in Deutschland gibt.
Auch am Pult steht ein Italiener: Matteo Beltrami, der zuletzt in Hannover den „Barbier von Sevilla“ und in Hamburg Verdis „Nabucco“ dirigiert hat. Die Titelpartie übernimmt die katalanische Mezzosopranistin Anna Alàs i Jové. Sie alterniert mit dem Kölner Ensemblemitglied Adriana Bastidas-Gamboa, die zuletzt in der Titelpartie des Opernprojekts „Miranda“ nach Shakespeares „Der Sturm“ zu erleben war.
La Cenerentola | 17. (P), 21., 23., 25., 27., 29., 31.12., 4., 8.1.23 | Oper Köln | 0221 221 284 00
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Goldene Flügel der Sehnsucht
Großes biblisches Drama: „Nabucco“ an der Oper Köln – Oper in NRW 12/24
Triumph der Güte?
„La Cenerentola“ in Essen und Hagen – Oper in NRW 12/24
„Wir haben uns künstlerische Freiheiten genommen“
Intendantin Rebekah Rota inszeniert „Von Thalia geküsst“ an der Wuppertaler Oper – Premiere 12/24
Besiegt Vernunft die Leidenschaft?
„Orlando“ an der Oper Köln – Oper in NRW 11/24
Unerwartet Kaiserin
„Der Kreidekreis“ in Düsseldorf – Oper in NRW 11/24
Schäferwagen und Hexenhaus
„Hänsel und Gretel“ am Opernhaus Wuppertal – Auftritt 11/24
Ohne Firlefanz
Premiere von „Salome“ im Wuppertaler Opernhaus – Auftritt 10/24
Horror und Burleske
Die Spielzeit 24/25 am Gelsenkirchener MiR – Oper in NRW 07/24
Opern-Vielfalt am Rhein
„Nabucco“ eröffnet in Düsseldorf die Spielzeit 2024/25 – Oper in NRW 06/24
„Kritische Auseinandersetzung mit der Kolonialzeit“
Kapellmeister Hermes Helfricht über Werner Egks „Columbus“ an der Oper Bonn – Oper in NRW 06/24
Welt ohne Liebe
„Lady Macbeth von Mzensk“ am Theater Hagen – Oper in NRW 05/24
Ethel Smyth und Arnold Schönberg verzahnt
„Erwartung / Der Wald“ im Wuppertaler Opernhaus – Auftritt 05/24
Die Gefahren der Liebe
„Die Krönung der Poppea“ an der Oper Köln – Oper in NRW 05/24
Absurde Südfrucht-Fabel
„Die Liebe zu den drei Orangen“ an der Oper Bonn – Oper in NRW 04/24
Grund des Vergessens: Rassismus
Oper von Joseph Bologne am Aalto-Theater Essen – Oper in NRW 03/24
Täuschung und Wirklichkeit
Ein märchenhafter Opern-Doppelabend in Gelsenkirchen – Oper in NRW 02/24
Verpasstes Glück
„Eugen Onegin“ in Bonn und Düsseldorf – Oper in NRW 02/24