Die Operette ist nicht jedermanns Sache. Die einen lieben sie heiß und innig, die anderen verachten die leichte Muse geradezu. Das gilt nicht nur für das Publikum, sondern auch für viele OpernregisseurInnen. Sabine Hartmannshenn lässt sich wohl zumindest ein gespaltenes Verhältnis zur Operette unterstellen, wenn man betrachtet, was sie an der Essener Aalto-Oper aus Franz Lehárs „Land des Lächelns“ gemacht hat. Möglicherweise ist es auch nur eine Abneigung gegen den Komponisten, dessen größter Fan Adolf Hitler war und der seine jüdische Ehefrau durch größtmöglichen Opportunismus vor den Nazis rettete.
Statt der eigentlichen Handlung, einer unglücklichen Liebesgeschichte einer Wiener Grafentochter und eines chinesischen Prinzen im frühen 20. Jahrhundert, erzählt Hartmannshenn jedenfalls lieber die Geschichten, die es um das Stück herum zu erzählen gibt. Die sind durchaus interessant und erzählenswert. Sie zur Grundlage einer Inszenierung zu machen, führt jedoch zwangsläufig in ein Dilemma. Und so gibt es in dieser ordentlich umgekrempelten Version auch Szenen, in denen Text und Bühnengeschehen nicht mehr logisch im Einklang stehen.
Zu sehen ist ein Theater auf dem Theater. „Die gelbe Jacke“, das Bühnenstück von Victor Léon, das Lehár und seinen drei Librettisten als Vorlage diente, wird 1929, dem Uraufführungsjahr der Operette, in einem kleinen Berliner Varietétheater gezeigt – als China-Revue, in der die opulent-exotische Ausstattung der Pekinger Hofgesellschaft maximal verballhornt wird. Die unüberwindbaren Hindernisse zwischen den Kulturen, an denen die interkontinentale Liebe von Lisa und Sou-Chong schließlich scheitert, versucht die Regisseurin als zunehmenden Rassismus der aufziehenden Nazi-Herrschaft darzustellen. Was als abstraktes Konzept noch naheliegend erscheint, entpuppt sich in Verbindung mit der ursprünglichen Handlung als hochproblematisch, denn von dieser bleibt eigentlich nichts übrig.
Immerhin: Die Bühne von Lukas Kretschmer und die Kostüme von Susana Mendoza sind wirklich gelungen und einer Operettenaufführung absolut würdig. So bleibt den Freunden der gepflegten Operettenromanze noch die Musik. Dirigent Stefan Klingele leistet eine durchweg überzeugende Arbeit und kann sich dabei auf eine gute Solistenriege verlassen. Jessica Muirhead singt eine selbstbewusste und kraftvolle Lisa mit starker Ausstrahlung. Carlos Cardoso hat als Sou-Chong – die Regie macht aus ihm mitunter auch einen „Pedro“ – den rechten tenoralen Schmelz für einen jugendlichen Liebhaber. Christina Clark und Albrecht Kludszuweit singen als Prinzessin Mi (hier: Martha) und Graf Gustl (hier: Claudius) das zweite Liebespaar klangschön und darstellerisch überzeugend. Für den Buffowitz, den Lehár dem Gustl zugedacht hat, bleibt in dieser Fassung allerdings wenig Raum.
„Land des Lächelns“ | R: Sabine Hartmannshenn | 2.2., 9.2. 18 Uhr, 21.2. 19.30 Uhr, 23.2., 1.3. 16.30 Uhr, 12.4., 10.5. 18 Uhr | Aalto-Theater, Essen | 0201 812 22 00
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