Puya Bagheri zeigt auf eine bunte Graffiti-Wand in Köln-Chorweiler – eine von drei „Hall of Fames“ in Köln. 450 Quadratmeter an der Fußgängerbrücke Merianstraße, auf denen Graffiti-Künstler:innen legal sprühen dürfen. Gemeinsam mit Jugendlichen aus Chorweiler habe er fast drei Jahre politische Überzeugungsarbeit beim Ordnungsamt, Bezirksbürgermeister, Amt für Brückenbau und anderen relevanten Institutionen geleistet. „Das war Politik zum Anfassen für die Jugendlichen“, fasst Bagheri zusammen.
Der Graffitikünstler Puya Bagheri ist Gründer und Leiter von Outline e.V., einer Kreativwerkstatt in Köln Chorweilers Zentrum. Hier können sich Jugendliche künstlerisch austoben. Die meisten Leinwände sind mit Graffitis gestaltet, im Tonstudio werden Hiphop-Tracks aufgenommen.
Die in Köln ansässige Karl-Arnold-Stiftung fragte Bagheri im Jahr 2017 als Kooperationspartner vor Ort an, um gemeinsam mit der Bürgerplattform Stark! im Kölner Norden am Projekt Demokratiewerkstatt teilzunehmen. Seit 2015 fördert die Landeszentrale für politische Bildung Demokratiewerkstätten in NRW für „aufsuchende politische Bildungsarbeit“.
Politischer Hiphop
Seitdem versteht sich Bagheri zunehmend als Lehrer – wenn auch nicht im klassischen Sinne. „Die Hiphop-Kultur hat von sich aus eine politisch-sozialkritische Dimension. Mit der Kunst können wir unser Leben hier beleuchten und artikulieren.“
Er wolle nicht mit einer Malschule oder einem Jugendzentrum verglichen werden, sagt Bagheri, die Jugendlichen hier würde er mit klassischer Bildungsarbeit nicht kriegen. „Sie fühlen sich nicht gehört, nicht gesehen, empfinden sich teilweise als Fremdkörper in der deutschen Gesellschaft“, erklärt er. Nur jeder fünfte Chorweiler gab bei der letzten Landtagswahl seine Stimme ab.
Viele Kölner verbinden mit dem Stadtteil Chorweiler negative Klischees. Die Arbeitslosenquote liegt bei fast 20 Prozent, der Migrantenanteil bei rund 40. Polizeipräsenz ist allgegenwärtig. Mit sieben Jahren flüchtete Bagheri mit seiner Familie aus dem Iran nach Deutschland, seitdem lebt er hier. Mittlerweile ist er stolz darauf und möchte der Welt die urbane Jugendkultur zeigen, die in Chorweiler entsteht. Bagheri weiß, wie er mit den Jugendlichen reden und ihnen politische Themen nahebringen kann, ohne manipulierend zu sein – ein Glücksfall für die Karl-Arnold-Stiftung, die sich bis dahin eher auf klassische, politische Aufklärung konzentrierte. „Politische Bildungsarbeit kann auch bedeuten, mit den Jugendlichen zu besprechen: Wer bin ich, wo will ich hin, was passiert um mich herum?“
Lebenswelt statt Klischees
Einige Projekte konnte Bagheri mit Outline e.V. bereits umsetzen. Die multimediale Ausstellung „Transit“ im Käthe-Kollwitz-Museum zum Ende des vorigen Jahres zeigte unter anderem Porträtfotos der Jugendlichen. Um Chorweiler-Klischees zu vermeiden und ihre Lebenswelt zu zeigen, durften sie das Setting selbst wählen. Ein Teil der Ausstellung ist noch für kurze Zeit in der Chorweiler Stadtteilbibliothek zu sehen.
Der Verein beteiligte sich zur Kommunalwahl außerdem am Projekt „Meine Stimme zählt“ und lud die Kandidaten für den Stadtteil ein. „Die wohnen selbst gar nicht in Chorweiler“, sagt Bagheri. Die Jugendlichen stellten ihnen Fragen und sprachen mit Bagheri über Parteien und Wahlen. Eine Hiphop-Band unterstütze die Aktion – als Türöffner zur jugendlichen Lebenswelt.
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