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Dorothée Hefner
Foto: Hauke Dittrich

„Viele Menschen haben das Gefühl, sie werden nicht gehört“

22. Dezember 2023

Teil 1: Interview – Medienforscherin Dorothée Hefner über Vertrauen in politische Berichterstattung

engels: Frau Hefner, der öffentlich-rechtliche Rundfunk wird mit dem GEZ-Beitrag finanziert, um unabhängig zu berichten. Wird er dieser Aufgabe gerecht?

Dorothée Hefner: Grundsätzlich würde ich das bejahen. Wir haben in Deutschland einerseits ein vergleichsweise teures öffentlich-rechtliche Rundfunksystem, aber eben auch ein vergleichsweise sehr, sehr gutes. Sie können es sich leisten und schaffen es aus meiner Sicht auch gut, verschiedene Nutzer:innen-Gruppen abzuholen, Informationen zu strukturieren, zu sortieren und damit Nutzer:innen zu helfen, sich im Informationsdschungel zurechtzufinden. Dies ist ja ein wachsendes Problem unserer Zeit: Es gibt so viele Informationen, dass man sich gar nicht mehr zurechtfindet. Deshalb ist so ein Format wie beispielsweise die Tagesschau eben fundamental wichtig, um eine Vorstrukturierung zu leisten. Ich finde auch, dass sie es tatsächlich schaffen, einen glaubwürdigen Journalismus zu machen, einen werteorientierten und auch einen gemeinwohlorientierten. Natürlich gibt es immer Gebiete, auf denen sich die öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten verbessern können, zum Beispiel, ihre Rolle im digitalen Raum noch weiter auszubauen, gerade im Hinblick auf die jüngere Generation.

„Wir haben in Deutschland ein teures öffentlich-rechtliches Rundfunksystem, aber auch ein sehr, sehr gutes“

Journalisten waren vielleicht nie besonders beliebt. Beflügelt durch die Flüchtlingsbewegung und die Coronakrise machen aber vermehrt Schlagworte wie „Mainstream-Medien“ oder, aggressiver, „Lügenpresse“ die Runde. Wie gewinnen Medien verlorenes Vertrauen zurück?

Zunächst mal ist es tatsächlich so, dass es verschiedene Personengruppen gibt, die dieser vermeintlichen Elite zugerechnet werden, nämlich vor allem Politiker:innen, Journalist:innen oder Wissenschaftler:innen. Bei diesen hat ein bestimmter Teil der Bevölkerung die Meinung, dass sie zu viel Macht haben und andererseits gleichzeitig die „Stimme des Volkes“ überhören, so ein bisschen aus dem Elfenbeinturm heraus agieren und berichten. Diese Meinung stellt ein typisches rechtspopulistisches Narrativ dar und stimmt in seiner Radikalität sicherlich nicht. Trotzdem sollte man sehen, dass sich leider relativ viele Menschen von diesem Narrativ abgeholt fühlen und sich da wiedererkennen, beziehungsweise dem zustimmen, weil sie genau das Gefühl haben, sie werden nicht gehört. Ich glaube, man könnte an zwei Stellen ansetzen, um ein bisschen Abhilfe zu schaffen. Einerseits – und da sind wir bei der Medienkompetenz – müsste man mehr Aufklärung betreiben über die tatsächliche Verteilung von Macht, was helfen würde, diese Dichotomie abzubauen, also das Gefühl, es gäbe „die da oben, wir da unten“. Da sollte man unbedingt in der Schule anfangen und ich bin mir sicher, dass das auch in Schulen teilweise passiert, aber vielleicht noch nicht so ausreichend. Und dann sollten sich natürlich die öffentlich-rechtlichen Medien und Journalist:innen bezüglich des Elfenbeinturmvorwurfs auch selbst hinterfragen.

„Mehr Aufklären über die tatsächliche Verteilung von Macht“

Dazu ist es bestimmt nützlich zu sehen, welche Gruppen sich nicht gehört fühlen, ihnen zuzuhören und ihnen ein Forum geben. Da kommen wir aber auch ganz schnell in ein Dilemma, weil es ja tatsächlich Gruppierungen gibt, die sozusagen zu Recht nicht gehört und nicht präsentiert werden, weil sie nämlich auf Basis falscher Fakten argumentieren und damit Desinformation vorantreiben. Also, wenn wir jetzt tatsächlich an Verschwörungstheorien denken, seien es antisemitische Verschwörungstheorien oder aber auch Klimawandel-Leugner, dann sind das natürlich Stimmen, die nicht gehört, nicht präsentiert werden im öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Aber da würde man ja sagen, das ist auch gut so und das ist total richtig. Trotzdem sollte man ein bisschen mehr Ambivalenz zulassen, wie zum Beispiel negative Gefühle, beispielsweise in Bezug auf Einwanderung. Da kann man im Rückblick ja schon sagen, dass vielleicht manchmal den Herausforderungen und Ängsten, die damit einhergehen, nicht genügend Raum gegeben wurde.

„Medien sollten sich selbst hinterfragen“

Fehlen mehr „normale Bürger“ in den Talkrunden?

Immer häufiger werden sogenannte „Bürgerräte“ eingesetzt, um drängende gesellschaftliche Fragen zu diskutieren. Die Mitglieder werden ausgelost unter der Bevölkerung, sind also „Normalbürger“. Sie werden zu Themen informiert und tauschen sich dann aus zu unterschiedlichen Argumenten und Positionen und entwickeln Gesetzesvorschläge. Sie kommen aus Lebenswelten, die sich von denen der Politiker häufig sehr stark unterscheiden. Das fände ich total spannend, solche Leute mal zu Polit-Talks einzuladen oder die Diskussionen dieser Räte zu übertragen.

 

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Interview: Daniela Prüter

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