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In sicheren Händen
Foto: ktsdesign / Adobe Stock

Menschliches Versagen

25. Juli 2022

Das Für und Wider von Sicherheit – Teil 1: Leitartikel

Auf Klassenfahrt Ende der 80er, wir besuchen ein Atomkraftwerk. Die Lobby behauptet gerade: Die Meiler sind sicher und werden immer sicherer. Unsere Lehrerin erklärt uns im Vorfeld: „Sicherheit ist ein Begriff, der sich nicht steigern lässt. Wenn ich sage: Etwas ist sicher, dann ist es sicher. Und dann kann und braucht man es nicht sicherer zu machen.“ Seitdem habe ich vor allem eines gelernt: Sicherheitsversprechen sind relativ. Atomkraft ist sicher. Die Rente ist sicher. Blabla. Und wer im Falle eines GAUs sagt, Vorfälle seien auf technisches Versagen zurückzuführen, der vergisst, dass technisches im Grunde immer auf menschliches Versagen zurückzuführen ist. Da bin ich mir sicher.

Sicherheit ist relativ. Und trotzdem: Politik und Wirtschaft umgarnen uns mit Sicherheitsversprechen, denn der Deutsche liebt die Sicherheit. Das Sicherheitssiegel. Nicht nur im Hinblick auf technische Standards. Allein Beständigkeit vermittelt uns Sicherheit. Wenn alles schön so bleibt, wie es ist. Und wenn mal, von Krieg bis Klimakrise, global Gefahren abgewendet werden müssen, dann ist der Deutsche gern dafür, dass sich da etwas tut – solang für ihn selbst am Ende alles so bleibt, wie es ist. Die allmorgendliche Kaffeekapsel. Der allsommerliche eigene Pool. Die alljährliche Kreuzfahrt.

Geliebte Sicherheitssiegel

Sicherheit ist nicht nur technischer Standard, sondern auch ein Gefühl. Ausdruck von Status und Komfort. Wohlstand. Man werfe nur einen Blick auf die Armaturen in unseren Autos. Oder auf die Fahrer, die das Überangebot digitaler Möglichkeiten auf den Fahrzeugdisplays gar nicht mehr erfassen können. Wie soll man denn bitte bei derlei Reizüberflutung während der Fahrt noch ungestört aufs Handy gucken? Der Handyblick hinterm Steuer ist Sinnbild. Sinnbild für den Menschen, der, geborgen in Sicherheit durch Gurt und digitaler Unterstützung, zugleich sich und anderes Leben gefährdet: Sicherheit gefährdet Sicherheit!

Aber der technische Fortschritt schreitet haltlos voran – mit der Digitalisierung rascher als je zuvor. Und ja: Jenseits des dominanten militärischen Sektors, sind Maschinen, Chips und Roboter zuerst einmal darauf ausgelegt, der Menschheit Gutes zu tun. Wohlstand war noch nie so wohlig. Science Fiction war noch nie so Science Fact. Wir waren noch nie so sicher. Also, theoretisch. Wenn bloß der Mensch nicht wäre. Denn der ist auf Profit aus und verkauft Sicherheit bevorzugt für Geld oder Kontrolle bzw. am liebsten für beides. Die Politik, die den Bürger behüten soll, will ihn noch lieber kontrollieren und verkauft ihm Sicherheit vermeintlich alternativlos auf Kosten von Freiheitsrechten.

Sicherheit schafft Ängste

Sicherheit durch Technik ergibt Sinn, wenn es Dinge beschleunigt, uns Mühsal abnimmt, Leben rettet. Aber das Sicherheitsgefühl macht müde. Betriebsblind. Auf allen Ebenen. Und absurderweise hat der Mensch scheinbar umso mehr Ängste, je sicherer er lebt: Sicherheit macht unsicher. Nicht zuletzt, weil Technik uns zeitliche Ressourcen schenkt, in denen wir mehr Zeit darauf verschwenden, uns um Nichtigkeiten zu sorgen. Auch das macht sich die Politik zunutze.

Bei aller Technikbegeisterung darf sich der Mensch nicht ausruhen auf vermeintlicher Sicherheit. Sicherheit funktioniert nur, solang wir eigenverantwortlich bleiben, wach bleiben. Technik kann nur unterstützen. Wer unbedarft Verantwortung an sie abgibt, gibt Kontrolle ab und Daten preis. Sicherheit liegt in jedem einzelnen von uns begründet. Denn eines ist sicher: Nichts ist sicher – dank Faktor Mensch.

 

ROBOTERLIEBE - Aktiv im Thema

rettungsrobotik.de/home | Der Verein Deutsches Rettungsrobotik-Zentrum fördert die Entwicklung von Robotern für den Schutz von Menschen und Sachwerten.
ipa.fraunhofer.de/de/Kompetenzen/roboter--und-assistenzsysteme.html | Das Fraunhofer Institut informiert über Roboter- und Assistenzsysteme.
deutsches-museum.de/bonn | Die Ausstellung „Mission KI“ im Deutschen Museum Bonn verfolgt in mehreren „Erlebnisräumen“ moderne Technik und ihr Verhältnis zum Menschen.

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Hartmut Ernst

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