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Der Weisse Ring bietet bundesweit Hilfe an
Foto: Weisser Ring / Florian Oellers

Orientierung im Hilfesystem

26. Juli 2024

Teil 3: Lokale Initiativen – Die Opferschutzorganisation Weisser Ring in Bochum

Der Verfassungsschutzbericht für das Jahr 2023 zeichnet ein düsteres Bild: Danach ist die Zahl extremistisch motivierter Straftaten vor allem aufgrund des Nahostkonflikts rapide angestiegen, besorgniserregend die zunehmende Gewaltbereitschaft religiöser und politischer Gruppen. Im Europawahlkampf machten Attacken auf Politiker:innen von sich reden. Der Tod des Polizisten Rouven Laur in Mannheim sorgte für Bestürzung.

Die Gewaltbereitschaft äußert sich dabei nicht nur in körperlichen Angriffen, auch Drohungen, Beleidigungen und Belästigung sind Gewalttaten. „Gewalt definieren wir sowohl als physische wie auch als psychische Einwirkung auf das Opfer“, erklärt Stephanie Ihrler, Leiterin der Außenstelle des Weissen Rings in Bochum. Der bundesweit aktive Verein setzt sich für Kriminalitätsopfer ein und hat seit seiner Gründung im Jahr 1976 ein Netz von rund 2.700 ehrenamtlichen Helfer:innen und über 400 Außenstellen aufgebaut.

Nach der Straftat

In Bochum unterstützt Ihrler Kriminalitätsopfer gemeinsam mit 15 Mitarbeiter:innen. „Wir verstehen uns zunächst als Lotsen im Hilfesystem“, sagt sie. „Das heißt wir unterstützen die Geschädigten bei der Suche nach weiteren Ansprechpartnern wie Therapeuten, Ärzten oder psychosozialen Prozessbegleitern. Wir begleiten zu Terminen bei der Polizei oder zu Ämtern.“ In persönlichen Gesprächen werden dabei die Bedürfnisse der Betroffenen ermittelt. „Letztlich entscheiden wir in jedem Einzelfall, welche konkrete Hilfe wir anbieten können“, erklärt Ihrler. Auch bei der Überbrückung von tatbedingten finanziellen Notlagen kann der Weisse Ring in Einzelfällen helfen –Schadensersatz bei Diebstählen oder Betrugsfällen kann jedoch nicht geleistet werden. 

Die Straftaten, mit denen Ihrler in Bochum zu tun hat, decken den gesamten Bereich des Strafgesetzbuches ab. „Wir sind konfrontiert mit Diebstahl, Raub, Sexualdelikten, Nötigungen, Betrug, Erpressungen und Tötungen“, berichtet sie. Auch extremistische Taten beschäftigen sie und ihr Team – bislang konnte sie in Bochum jedoch keinen Anstieg der extremistischen Verbrechen beobachten. Um möglichen Delikten vorzubeugen, plant die Bochumer Außenstelle auch Präventionsaktionen. Bereits in der Vergangenheit hat sich der Weisse Ring an einem Netzwerk örtlicher Sicherheitspartner beteiligt, das unter anderem den „Sicherheitstag“ gestaltet. 

Fragwürdiger Trend 

Ein Thema, das den Weissen Ring standortübergreifend außerdem beschäftigt, ist die Kommerzialisierung von Gewalt durch True Crime-Formate: Unter #TrueCrimeReport hinterfragt die Redaktion des Vereins, was es bedeutet, echte Mordfälle als Nervenkitzel zu präsentieren. Sie kritisiert geschmacklose Titel, Sensationalismus und voyeuristische Tendenzen. Darüber hinaus erhöhe der Trend die Gefahr von Retraumatisierungen, da durch mehr True Crime-Formate auch mehr erschütternde Geschichten in die Öffentlichkeit gelangten, zudem teils ohne Einwilligung der Opfer. Die häufig zur Verteidigung des True Crime-Booms angeführten präventiven Effekte seien zweifelhaft, so die Analyse des Weissen Rings: Drei Viertel der Fälle, die in deutschsprachigen True Crime-Podcasts behandelt werden, seien Mordfälle – obwohl sogenannte Straftaten gegen das Leben lediglich ein Tausendstel der Strafdelikte ausmachten. Häufigere Delikte wie häusliche Gewalt fänden in den Podcasts hingegegen kaum Beachtung. Ob True Crime nun moralisch verwerflich ist oder sogar hilfreich sein kann, mag diskussionwürdig bleiben. Für den Weissen Ring ist klar: Professionelle Opferhilfe ersetzt es nicht.

Tim Weber

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