Ein Jahrhundertgenie, das weltbekannt ist. Pablo Picasso (1881-1973) ist der Inbegriff für moderne Kunst: Seine Werke kosten Millionen, niemand stellt seine Bedeutung in Frage, aber alles Unverständnis gegenüber moderner Kunst konzentriert sich auf ihn. Picassos zentrales Sujet ist der Mensch, aber Realismus und Abstraktion sind für ihn kein Gegensatz. Auf ebenso konsequente wie radikale Weise denkt er die Stile seiner Zeit weiter, wird zum Erfinder – etwa des Kubismus – und seit den 1920er Jahren ist für ihn sogar die Zerlegung, Verschiebung der Form möglich, die Kombination naiv wirkender und hoch komplexer Partien. Zunehmend sind die Figuren in seinen Bildern monumental und barock, Picasso malt vornehmlich Frauen, teils mit einem Maler im Bild: Immer geht es doch um ihn. Picasso ist egoman und exzessiv, und er malt noch mit 90 Jahren aufreizend und enorm produktiv.
Der Spanier, der schon 19jährig bei einem Kunsthändler unter Vertrag ist, arbeitet 1900/01 vorübergehend in einem Atelier in Paris. Dorthin zieht er 1904 ganz. Er taucht in die Künstlerkreise ein und erlangt den Status eines Avantgardisten und Bohemiens. – Beidem gehen nun zwei Ausstellungen nach: den Jahren in Paris, die prägend für ihn und sein Werk sind, und seiner eigenen Präsenz auf Fotografien. Die Kunsthalle Bielefeld thematisiert anhand seiner Porträt- und Figuren-Gemälde den Wechsel von der Blauen Periode zur leichteren Rosa Periode im Jahr 1905. Nun wirken sich die Pariser Einflüsse von Zirkus und Film und der zeitgleichen Kunst aus.
Demgegenüber nähert sich das Museum Ludwig dem Phänomen Picasso auf indirekte Weise. Es zeigt fotografische Porträts von Picasso seit der Zeit am Montmartre bis ins hohe Alter in Südfrankreich. Dies umfasst seine Selbstinszenierungen vor der Kamera wie auch repräsentative Aufnahmen. Daneben stehen Szenen von großer Intimität. Das klappt natürlich nur, weil die Fotografen zu den besten ihrer Zunft gehören, etwa Richard Avedon, Robert Capa, Jean Cocteau, Lee Miller, Man Ray. Natürlich schwingt die Spannung zwischen den „Handschriften“ der Fotografen selbst und den Erwartungen von Picasso mit ... Im großartigen Museum Ludwig kommt das Glück der dortigen Sammlung hinzu. Die fotografischen Bildnisse verschmelzen hier sozusagen mit Picassos Gemälden. Und deutlich wird, dass der Auftritt Picassos in der Fotografie direkt mit seiner Kunst zu tun hat. Anschaulich ist die Energie und kraftstrotzende Lebensbejahung. Der Künstler Picasso ist zupackend, entschieden und der Handelnde, der die Initiative übernimmt. Vielleicht ist ein gemeinsamer Effekt der so unterschiedlichen Ausstellungen, dass sie das „Eigentliche“ und die Quellen hinter dem sanktionierten Werk freilegen. Übrigens wäre in dem Zusammenhang auch auf das Picasso-Museum in Münster hinzuweisen: Dort sind noch einige Tage Eddy Novarros fotografische Porträts von Künstlern ausgestellt – und auch da ist Picasso dabei.
Picasso 1905 in Paris I bis 15. Januar 2012 in der Kunsthalle Bielefeld I www.kunsthalle-bielefeld.de
Ichundichundich. Picasso im Fotoporträt I bis 15. Januar 2012 im Museum Ludwig in Köln I www.museum-ludwig.de
Eddy Novarro und die Avantgarde der 50er bis 70er Jahre I bis 9.10. im Kunstmuseum Pablo Picasso in Münster I www.kunstmuseum-picasso-muenster.de
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