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Der Götterclan aus dem Rheingold-Express
Foto: Forster

Im Rheingold-Express gen Walhall

29. Mai 2019

Michael Schulz inszeniert Wagners Nibelungen-Vorabend am MiR – Oper in NRW 06/19

Noch einmal fährt das Musiktheater im Revier ein in dieser Saison – zumindest im übertragenen Sinne. Das Ende des Steinkohlebergbaus bildete die thematische Klammer für die ausgehende Spielzeit. Was bietet sich da mehr an als Wagners Rheingold mit seinen Nibelungen, die Zwergenkönig Alberich in seinen Minen schuften lässt. Intendant Michael Schulz brachte es selber auf die Gelsenkirchener Bühne.

Den originären Clou mit den Ruhrbergleuten, die mit Helm und Kopflampe durch Alberichs Stollen kriechen, hat indes schon ein anderer Opernregisseur, der einst in Gelsenkirchen und Essen eine ganze Ära prägte, vorweggenommen: Dietrich Hilsdorf ließ die Kumpel erst vor knapp zwei Jahren in seiner Version vom Rheingold auf der Bühne der Düsseldorfer Rheinoper durch die Wand brechen. Für Schulz blieb da in Gelsenkirchen nur noch der Rückgriff auf ganz alte Zeiten zu Beginn der industriellen Revolution, als sogar noch Frauen und Kinder in Lumpen (Kostüme: Renée Listerdal) durch die Stollen krochen. Immerhin die Kohlenlore hat es auch auf seine Bühne (Heike Scheele) geschafft.

Anders als Hilsdorf gibt Schulz in Gelsenkirchen mit seinem Rheingold nicht den Auftakt zu einem vollständigen Ring des Nibelungen. Seine Inszenierung wird erstmal alleine stehen bleiben und erspart ihm damit die hohen Erwartungen, die an einen „Vorabend“ zur Tetralogie mit den üblichen szenischen Keimzellen für die folgenden Teile gestellt werden. Hilsdorf hatte vor allem von den eingefleischten Wagnerianern Kritik einstecken müssen, weil sein Rheingold damit nicht dienen konnte und in einem „Work in Progress“ eher als Stückwerk von Ideen entstanden war. Schulzens Version erweckt diesen Eindruck ebenfalls. Und mit seinem Ansatz, in der Handlung „einen ausgesprochen komödiantischen Charakter“ zu sehen und herauszukehren, dürfte auch er nicht unbedingt den Geschmack der konservativen Wagner-Fans treffen. Wie auch immer: Bei der Premiere überwog eindeutig der Jubel, einzelne Unmutsbekundungen gingen darin unter. Dabei wirkt die Inszenierung über weite Strecken wie eine Parodie, die immer wieder hart an die Grenze zur Albernheit gerät und am Ende mit – im Wortsinn – plakativen Botschaften aufwartet, die schlichtweg überflüssig sind.

Die Begeisterung des Premierenpublikums speiste sich indes stark aus der musikalischen Qualität: Der erste Kapellmeister Giuliano Betta liefert nach einem noch etwas verschwommenen Vorspiel eine insgesamt ausgezeichnete Leistung ab, und auch die Solisten bewegen sich auf einem sehr erfreulichen Niveau. Absolut herausragend ist Cornel Frey als verschlagener Feuergott Loge (alternierend mit Lothar Odinius), der gleichermaßen mit Spielwitz und bestechend klarem Tenor überzeugt. Auch Bastiaan Everink ist ein Wotan von Format, der mit ebenso breiter Brust singt wie er in seiner Rolle als Chef des Götterclans auftritt. Seine Rolle als kauziger, weltfremder Provinzler im legendären Rheingold-Express, der auf wundersame Weise unter Wasser durch den Rhein gen Walhall fährt und in dem die ersten Szenen spielen, erfüllt Urban Malmberg als Alberich hervorragend. Mit Bommelmütze und Trainingsjacke macht er sich zum Gespött der Rheintöchter, die als mondäne leichte Mädchen nicht mit ihren Reizen geizen. Bele Kumberger (Woglinde), Lina Hoffmann (Wellgunde) und Boshana Milkov (Flosshilde) sind ein auch stimmlich bezirzendes Trio. Überhaupt können die Solistinnen durchweg überzeugen: Almuth Herbst ist eine Fricka von stimmlichem wie darstellerischen Format, auch den Auftritt der Erda wird sie bestreiten – im fliegenden Rollenwechsel. Szenisch ist das nicht wirklich überzeugend, gesanglich hingegen schon. Die Regie mutet Petra Schmidt als Freia eine Menge zu: Sie muss singen, während sie auf dem Bauch unterm Bett liegt oder mit drei Statisten in eine enge Gitterbox gepfercht wird. Und sie singt ihre Partie sehr gut.

Stimmliche Abstriche sind am deutlichsten in den schwarzen Tiefen der Basspartien zu machen. Joachim Maaß und Michael Heine singen als Riesen Fasolt und Fafner schöne und durchaus kraftvolle Partien. Die tiefschwarzen Register fehlen ihnen allerdings an der einen oder anderen Stelle. Auch „Alberich“ Malmberg stößt am Höhepunkt der Dramatik etwas an seine Grenzen. Piotr Prochera, der als Donner (alternierend mit Zhive Kremshovski) stets mit großem Vorschlaghammer durch die Gegen läuft und dabei wie einem Superhelden-Comic entsprungen wirkt, vermag den breitbeinigen Aufritt durchaus auch stimmlich zu unterstreichen. Noch etwas zurückhaltend wirkt der junge Khanyiso Gwenxane als Froh.

Und so comichaft überzeichnet wie die Figuren wirkt auch das Ende der Oper, wenn die Protagonisten plötzlich Banner mit Sinnsprüchen auf der Bühne entfalten: „Gold Macht Lust“ ist da zu lesen. Oder als abschließende verbale Watsche Loges für die Rheintöchter: „Ihr hattet die Wahl“. Unvermittelt springt da mittels güldenen Waffen und Soldaten eine Kapitalismuskritik nach Schema F aus der Schatzkiste, die wie mit Donners Hammer vermittelt wirkt. Dazu passt auch die überdimensionale Blackbox, die den optischen Schlusspunkt mit dem überdimensionalen Schriftzug „Mythos“ setzt. Subtil geht anders.

„Das Rheingold“ | R: Michael Schulz | 30.5., 2., 9., 20., 30.6. jeweils 18 Uhr | Musiktheater im Revier Gelsenkirchen | 0209 409 72 00

Karsten Mark

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