Und es liebt sie doch: das Publikum diese Oper, die bei jeder Gelegenheit als „eigentlich zweitklassig“, als „Abklatsch des Rosenkavaliers“ oder „operettenhaft“ abgetan wird. Richard Strauss und sein Librettist Hugo von Hofmannsthal hätten wohl besser weniger offen und selbstkritisch korrespondieren sollen. Denn die Munition lieferten sie ihren Kritikern selbst. Dem Publikum ist das überwiegend einerlei gewesen. Es liebt die „Arabella“. Warum das völlig berechtigt ist, zeigt eine Inszenierung des Dortmunder Intendanten Jens-Daniel Herzog, der damit die neue Saison an seinem Haus einläutet.
Die Geschichte ist ziemlich handfest; und so geht es dann auch zu in dieser Fassung. Die vielen Herren, die die Schöne umschwirren, grapschen gern mal zu bei der höheren Tochter, die der verarmte und spielsüchtige Papa an den – möglichst reichen – Mann bringen muss. Die Grenze zur Prostitution ist nah. Und wenn Eleonore Marguerre (alternierend mit Emily Newton) das erste Mal als wirklich scharfer Feger mit perfekter Wallemähne, in eng tailliertem Ledermantel und mit Stiefeln bis über die Knie auftritt, deutet das Kostüm von Sibylle Gädeke das auch erkennbar, aber noch einigermaßen subtil an. Mit dem Libretto geht das durchaus konform: Die Eltern müssen die Tochter „standesgemäß ausstaffieren“, um sie verheiraten zu können. Das ist teuer und das Geld reicht nur für eine; die andere Tochter, Zdenka, muss deshalb als vermeintlicher Junge eine Scheinexistenz führen.
Dieser Teil der Geschichte ist reichlich abwegig und wird auch von Herzog nicht gelöst. Stattdessen setzt er auf die überquellende Spielfreude seiner durchweg hinreißenden Besetzung und lässt sie komödiantisch auch dick auftragen. Tenor Thomas Paul etwa als verschmähter Liebhaber Matteo, der alle Naselang sein Schicksal beklagt und mit Selbstmord droht. Als Sänger gibt Paul mit überzeichnetem italienischem Schmelz den Drama-King, was durchaus funktioniert. Denn Paul ist seiner schwierigen Partie absolut gewachsen. Auch die anderen Verehrer, die drei Grafen, sind alberne Gestalten: schnöselige Lackaffen, Teil einer ebenso verwöhnten wie nichtsnutzigen Erbengeneration. Das Rennen machen wird aber Mandryka, den Sangmin Lee in einem wirklich starken Auftritt als eine Mischung aus wildem Hunnen und Provinzluden aus der Rockerszene gibt.
Neben dem großen Spaß bietet die Dortmunder Arabella auch ein veritables Fest der Stimmen. Eleonore Marguerre und Ashley Thouret als Zdenka singen anmutig schöne Duette, in ihren jugendlich-lyrisch gefärbten Timbres schon ähnlich und doch im rechten Maß gewichtet und ausbalanciert. Marguerre beweist dabei durchaus dramatische Standfestigkeit, ohne je forciert zu klingen. Morgan Moody ist ein vielleicht schon etwas zu adrett und schneidig wirkender – und auch so klingender – Vater Waldner.
Gabriel Feltz dirigiert das mittelgroß besetzte Orchester sehr sängerfreundlich und mit durchsichtigem, differenzierten Klang – übrigens oft mit Leichtigkeit, aber keineswegs operettenhaft.
„Arabella“ | R: Jens-Daniel Herzog | Sa 28.10., Fr 17.11. 19.30 Uhr, So 26.11. 18 Uhr | Opernhaus Dortmund | 0231 502 72 22
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