Zu den bemerkenswertesten Ausstellungen, die derzeit in NRW zu sehen sind, gehören die Ausstellung der Paperarbeiten von Matthias Weischer im Kloster Bentlage in Rheine und die Werkübersicht zu Piet Mondrian im Kölner Museum Ludwig. Sie könnten unterschiedlicher kaum anmuten: Hier Weischer, ein Shooting Star der jungen deutschen Malerei, der als wichtiger Vertreter der sog. Leipziger Schule gilt und gleichwohl noch von einer größeren Öffentlichkeit zu entdecken ist. Der entschieden mit und in die Gegenständlichkeit hinein agiert, Farben als Materie setzt und dabei bildfüllend arbeitet. Und dort Mondrian, der niederländische Pionier der gegenstandsfreien Kunst, der vor allem mit den Reduktionen im Spätwerk Berühmtheit erlangte. Aber schon das ist ein summarisches Urteil, das man differenzieren sollte – was die Kölner Ausstellung nun ermöglicht. Denn die sog. neoplastizistischen Bilder in Mondrians Spätphase, welche die geometrische Abstraktion begründen und sich allein aus den Primärfarben und der Setzung schwarzer Linien aufbauen, sind nicht im luftleeren Raum entstanden. Vielmehr hat Mondrian einen bemerkenswert experimentellen Weg beschritten, der zunächst auf den Traditionen der niederländischen Landschaftsmalerei beruht und später, in Paris und zuletzt in New York, in enger Rückkopplung zu den dortigen Avantgarde- Bewegungen steht und alle Facetten von gegenständlich bis gegenstandslos durchläuft ... Fast alle Bilder der Kölner Ausstellung sind Leihgaben aus dem Gemeentemuseum in Den Haag, und angenehm ist die Überschaubarkeit der Ausstellung. Jedes Bild wird ernst genommen und sollte für sich wahrgenommen werden.
Bei allen Unterschieden, eine vergleichbare Intensität besitzen auch die (besten) Bilder Matthias Weischers. Auch bei ihm scheint die Oberfläche zu vibrieren, ist eine Spannung im Verhältnis der Partien auszumachen und wird behutsam mit der Farbigkeit gearbeitet. Je genauer man schaut, desto mehr abstrakte Partien entdeckt man in diesen (oft kleinformatigen) Malereien. Gegeben sind menschenleere Innenräume mit wohnlicher Einrichtung. Die Perspektiven sind ungewöhnlich, mitunter verschachtelt. – In Rheine (Weischers Geburtsstadt) sind nun freilich lediglich Zeichnungen und Aquarelle zu sehen, die Natur und Landschaft zeigen. Aber auch sie kennzeichnet das Raumstiftende, das Aufeinanderstoßen von Kontrasten und Farben. Vermeintlich konventionell sind diese Blätter überaus spannungsgeladen und anregend. Eine Sensation ist auch der Katalog: ein Künstlerbuch, sehr aufwändig und originell und ausgesprochen authentisch (144 S., Hatje Cantz, € 39,80). Auch darauf ist hinzuweisen.
Piet Mondrian – Vom Abbild zum Bild, bis 30. März im Museum Ludwig, Bischofsgartenstr. 1 in Köln, www.museum-ludwig.de
Matthias Weischer – Der Garten. Arbeiten auf Papier, bis 9. März im Museum Kloster Bentlage, Bentlager Weg 130 in Rheine, www.kloster-bentlage.de
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