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„The End of the Song“ von Edmund Blair Leighton
Foto: gemeinfrei

Liebe als schmerzhafte Selbsterkenntnis

31. Juli 2019

Richard Wagners „Tristan und Isolde“ – Opernzeit 08/19

So paradox es klingt: Tristans Ängste machen ihn zum strahlenden Helden. Äußerlich wirkt er stark, doch innerlich ist er schwach und in sich zerrissen. Skrupellos und ehrgeizig verfolgt er seine Karriere, flieht dabei vor sich selbst und den Traumatisierungen seiner Kindheit, bis ein folgenschwerer Verrat ihn mit sich selbst konfrontiert.

Tristan hat seine Eltern früh verloren, seine Mutter starb bei der Geburt, der Vater kurze Zeit später. Sein Onkel Marke, König von England, wird ihm zum Vaterersatz, bei ihm findet er äußeren Halt und Orientierung in einer streng hierarchisch organisierten Männergesellschaft. Tristans Handeln ist bestimmt von der Sehnsucht nach Anerkennung und der Treue zu Marke. Tristans starker Selbstbehauptungswillen wird durch die militärische Erziehung noch gestählt, die ihn auf seine Herrscherrolle als Nachfolger des kinderlosen Marke vorbereitet.

Das Trauma des frühen Todes seiner Eltern liegt wie ein Schatten auf Tristan, er sehnt sich nach Liebe und leidet zugleich unter starken Verlustängsten. Die tiefen seelischen Verletzungen kompensiert er durch Aktionismus. Ständig sucht er nach Grenzerfahrungen und risikoreichen Herausforderungen. Er stürzt sich in Krieg und Kampf, scheut nicht vor List und Verrat zurück, weil er nichts zu verlieren hat als sein Leben, das ihm im tiefsten Innern leer erscheint. Tristan leidet an dem Gefühl des tiefen Ungenügens: Er ist ein Ungeliebter, ein Grenzgänger, den die Hofgesellschaft in seiner Rolle als Krieger schätzt, dem sie aber als Mensch zutiefst misstraut.

Die Beziehung von Tristan und Isolde, der irischen Königstochter, ist von Anfang von Betrug und Tod geprägt. England und Irland führen Krieg. Tristan, siegreich auf der Seite der Engländer kämpfend, erschlägt im Kampf Isoldes Verlobten und trägt eine Verletzung davon, die nur Isolde heilen kann. Ihre Rache fürchtend verheimlicht er seine wahre Identität, doch bald erkennt sie in ihm den Mörder ihres Bräutigams. Sie will sich rächen, doch erweckt sein Anblick ihre Liebe. Zum ersten Mal in seinem Leben fühlt sich der Verwundete in seiner Schwäche um seiner selbst willen geliebt, geheilt lässt sie ihn ziehen.

Die eigentliche Handlung setzt mit einem erneuten Betrug Tristans ein: Abermals reist er nach Irland, diesmal als offizieller Vertreter der Siegermacht, um Isolde König Marke als Braut zuzuführen und somit den Frieden zwischen England und dem Vasallenstaat zu sichern. Doch das Kalkül geht nicht auf, denn Isolde fordert Tristan auf, zu seiner Liebe zu stehen. Die Verstrickung nimmt ihren aussichtslosen Verlauf, beide wollen gemeinsam in den Tod gehen.

Am Ende erkennt Tristan seine exzessive Liebesbedürftigkeit, in der er gefangen ist und mit der er die ihm nahestehenden Menschen ins Unglück stürzt. Er stirbt im tröstenden Anblick Isoldes, im Bewusstsein geliebt zu werden. Isolde in ihrer Trauer beschwört ein letztes Mal ihre Liebe, in ihrer Vorstellung erweckt sie den Verstorbenen zum Leben, beschwört das Bild des Geliebten – es kostet sie ihre letzte Lebenskraft, bevor sie zusammenbricht. Der gemeinsame Liebestod, um den Tristan sie in seiner Impulsivität betrogen hat, bleibt eine Illusion.

Wo zu sehen in NRW?

Oper Köln | 21., 28.9., 3., 6., 11., 13.10. | 0221 22 12 84 00

Kerstin Maria Pöhler

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