Spiele zum Umgang mit Konflikten, Texte zu Verbraucherschutz und Sozialthemen, Broschüren für Unternehmen und Organisationen – das Portfolio der Bochumer Journalistin und Autorin Andrea Behnke ist breit gefächert. Einen Schwerpunkt bilden allerdings kurze Geschichten für Kinder, die in mittlerweile fünf Bänden im Buchhandel zu finden sind. Eines dieser Bücher trägt den Titel „Und was passiert dann?“ – und diese Frage charakterisiert im Prinzip die Kindertexte Behnkes insgesamt. Ob Geschichten vom „Miteinander“ oder vom „Großwerden“ – Andrea Behnke wirft in ihren kurzen Texten ein Schlaglicht auf Alltagssituationen von Kindern. Die kleinen Leser finden sich und ihr Umfeld in den Texten wieder, werden zum Nachdenken animiert, können sich über die kurze Episode hinaus Zusammenhänge erkunden.
Während des Studiums der Politikwissenschaften, Anglistik und Publizistik in Münster, lag es nahe, im publizistischen Bereich erste Gehversuche zu unternehmen: „Das erste Geld habe ich mit dem Schreiben im Studium verdient – da habe ich als Freie in einer WAZ-Lokalredaktion gearbeitet. Seit Studienende 1993 arbeite ich hauptberuflich rund um Text, seit fast 15 Jahren freiberuflich als Journalistin und Autorin. Das belletristische Schreiben lief zunächst nebenher – eher als Ausgleich zu meiner Auftragsarbeit. Nach und nach hat es sich zum Teil meiner (bezahlten) Arbeit entwickelt: Meine Geschichten erscheinen in Büchern, ich schreibe aber auch Geschichten fürs Radio.“ Diese wurden bislang im WDR und demnächst im SWR gesendet. Auch wenn in ihrer Bibliographie die Kinderbücher zurzeit überwiegen, ist es der Autorin wichtig, dass dies nur ein Teilbereich ihrer Arbeit ist: „Ich schreibe nach wie vor für Erwachsene, Kinder und Jugendliche gleichermaßen – sowohl was meine Arbeit für Medien und Non-Profit-Einrichtungen betrifft, als auch was belletristische Texte angeht. Und warum ich Geschichten für Kinder schreibe? Platt gesagt: Es ist Teil meines Berufs. Zudem macht es mir Spaß – vielleicht gehe ich auch oft mit Kinderaugen durch die Welt.“
Im Auftrag – aber nicht des Herrn
Wenn man die Entstehung der Geschichten hinterfragt, so scheint die Herangehensweise zunächst nicht sehr von der journalistischen Auftragsarbeit abzuweichen. Ob es sich um einen Broschürenbeitrag für die Verbraucherzentrale oder historische Frauenportraits für die Gleichstellungsstelle der Stadt Bochum handelt – Andrea Behnke lässt sich auf vorgegebene Themen ein. So mitunter auch bei Kindertexten: „Bei der Geschichtenbuch-Reihe, die bei Herder erscheint, gibt es immer im Vorfeld ein Oberthema für das jeweilige Buch. Die zehn Unterthemen stimme ich mit der Lektorin ab. Ich habe aber große Freiheiten, worüber ich sehr glücklich bin. Wie ich die einzelnen Unterthemen fülle, bleibt mir überlassen, der Verlag ist da sehr offen. Bei dem Buch mit den Generationen-Geschichten („Meine Oma war eine Seeräuberin“), das bei Don Bosco erschienen ist, war es etwas anders: Ich habe auftragsfrei immer wieder Geschichten geschrieben, in denen Alt und Jung vorkam. Als ich diesen roten Faden erkannt habe, habe ich mich auf Verlagssuche gemacht, da waren fünf oder sechs Geschichten schon fertig. Die anderen habe ich dann nach der Verlagszusage geschrieben.“
Die Tatsache, dass die Bücher in durchaus religiös geprägten Verlagen erschienen, weckt die Befürchtung, dass womöglich eine Moral im Vordergrund stehen könnte, die mit erhobenem Zeigefinger transportiert würde. Dies ist erfreulicherweise nicht der Fall. Die Geschichten lassen Interpretationsspielraum, stoßen nicht plump auf einen wie auch immer gearteten „richtigen“ Weg. Vor allem aber nehmen sie Kinder in ihrer Selbstwahrnehmung und mit ihren für die Erwachsenenwelt klein erscheinenden Problemen ernst. Diese Absicht bestätigt die Autorin auch, wobei sie „Moral“ und „gesellschaftspolitischen Anspruch“ nicht über einen Kamm geschoren wissen will: „Ich glaube, das sind zwei verschiedene Themen: Ja, die Geschichten der Reihe bei Herder oder auch in dem Generationen-Buch behandeln im weitesten Sinne gesellschaftspolitische Themen (natürlich gänzlich heruntergebrochen auf Kinderebene): Es geht um das Zusammenleben, es geht um Konflikte, es geht um Vielfalt, es geht um Alt und Jung. Doch die Art, wie sie das tun, ist eben nicht mit dem mahnenden Zeigefinger. Ich versuche in den Büchern viele Momentaufnahmen aus dem Leben von Kindern zu geben, werfe einen kurzen Spot auf ein Ereignis, versuche aber nicht zu werten. Die Geschichten sollen vor allem Spaß machen und Impulse geben zum Nachdenken. Sie sollen letztlich aber mehr Literatur als Pädagogik sein, obwohl diese Bücher unter anderem für den Einsatz in Kitas und in der Schule geschrieben wurden.“ Und aus diesem Grund schätzt die Autorin gerade den Herder-Verlag als renommierten pädagogischen Verlag. Insbesondere ihr Buch „Und was passiert dann?“, das keine Kindergeschichten beinhaltet, sondern vielmehr ein Ratgeber zum gemeinsamen Geschichtenerfinden mit Kindern ist, gelangt so direkt an die Zielgruppe.
Schreiben fürs Hören
Andrea Behnkes literarische Vorlieben sind breit gefächert. Sie nennt als Lieblingsautoren Haruki Murakami, Connie Palmen, Monika Maron, Nick Hornby oder Hanif Kureishi. Und natürlich hat sie als Mutter auch einen guten Überblick über Kinderbuchliteratur: „Ich mag gerne Martin Baltscheit, Kirsten Boie, Bart Moeyaert, Margaret Wild, Frida Nilsson.“ Ein Vorbild für ihr eigenes Schreiben vermag sie aber aus diesem Sektor nicht zu benennen. Auf die Frage, ob sie sich vorstellen könne, über die engen Grenzen einer Kurzgeschichte hinaus zu gehen, antwortet sie: „Du meinst einen Roman? Ich schreibe sehr verdichtet und weiß nicht, ob ich der ‚Romantyp’ bin, das wird sich zeigen. Im Moment fehlt mir da auch die Muße neben meinen Aufträgen. Doch auf jeden Fall möchte ich weiter in Richtung Geschichten für den Hörfunk gehen – die sind dann ja auch schon etwas länger.“ Ihr erstes halbstündiges Hörstück „Buchstaben, die die Welt verändern. Vom Warten auf die Diagnose.“ wurde im Oktober 2013 im WDR 3 gesendet, ein Anfang in diese Richtung ist gemacht.
In Bochum vernetzt ist Andrea Behnke seit einigen Jahren in der Autorinnengruppe clara fontana. In der jüngeren Vergangenheit ist diese Gruppe öffentlich nicht allzu präsent gewesen, Andrea Behnke versichert jedoch, dass es sich nur um eine vorübergehende Sendepause handelt: „Ja, es gibt uns noch – zum Glück. Wir sind immer noch vier aktive Frauen. Die Gruppe hat sich wegen Umzugs in den Süden und beruflicher Veränderungen leider etwas verkleinert. Daher hatten wir im letzten Halbjahr auch keine Lesung – sonst haben wir ja regelmäßig gelesen, zum Beispiel in der Rotunde. Doch wir treffen uns weiterhin regelmäßig und arbeiten jetzt auch an einer neuen Lesung für den Herbst. Die Gruppe und den Austausch möchte ich auch nicht mehr missen.“
Andrea Behnke: Oma war eine Seeräuberin | Don Bosco Verlag | 14,95€
Lesung | 5.4. 16 Uhr | Bahnhof Langendreer
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