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V.l.n.r. Engels mit 19 Jahren (aus: Helmut Hirsch: Friedrich Engels, 1968); Engels um 1845 und Engels in fortgeschrittenen Jahren (beide aus: Wilhelm Blos: Die Deutsche Revolution von 1848 bis 1849, 1891)

Die Engels-Macher

09. Februar 2018

2020: Wuppertal will Friedrich Engels zum 200. Geburtstag ehren – Spezial 02/18

„Wir sind einsatzbereit“, sagte der Kurator und fügte froh hinzu: „Das ist das Wichtigste, was wir heute zu melden haben.“ Am 6. Februar gab es im Historischen Zentrum den Auftakt zum Engels-Jahr 2020. Dieter Westhoffs Botschaft war positiv – der Subtext war klar: Bis dahin war das Bild ein anderes gewesen. Friedrich Engels wird 200, der große Sohn Wuppertals; doch die Stadt stempelte ihn in puncto Würdigung lange fast zum Stiefkind.

In der Remise am Engelsgarten, bestens besucht an diesem Dienstag Abend, präsentierte sich als Partner auch die Uni mit ihrem Rektor, Lambert Koch – soweit erwartbar. Wichtiger Mitspieler wird aber auch das Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie; und das schien nicht nur ungewöhnlich, sondern bot insgesamt einen Akzent, den man beim Gang an die Öffentlichkeit wohl gut gebrauchen konnte. Denn wenn es etwas gibt, das das Institut und sein Leiter Uwe Schneidewind idealtypisch ausstrahlen: Dann ist das Struktur, dann ist es Elan. Ganz gut wohl, ein Zugpferd mit just diesen Eigenschaften zu finden, die man bislang vermissen mochte. Dass er sich „geehrt fühlte, so prominent“ dabei zu sein, klang da nicht nur nach Höflichkeit – fast nach Überraschung. Es half beim Gesamteindruck.

Struktur gab es überhaupt viel: „Bildung“, „Kunst und Kultur“, „Wissenschaft“, „Stadtgesellschaft/Politik – so heißen die vier „Zugänge“, die zur „Dramaturgie des Gesamtablaufs“ führen. Die Dramaturgie freilich gibt es noch nicht, sie ist Teil der "nächsten Schritte", die am Ende gezeigt werden und deren letzter sein soll, im Herbst ein erstes Programm vorzustellen. Nicht minder konkret aber der Weg dorthin, und er begann diesen Abend: Zu je einem der vier Zugänge waren alle Teilnehmer ermuntert, sich mit Stift und Ideen spontan einzubringen. Nach gut zehn Minuten allgemeinen Tuns und Werkelns gab es erste Ergebnisse, denen bald Workshops folgen sollen.

Kein Zweifel: Ein Plan steht. Zwei externe Kuratoren haben ihn in der Hand, Rainer Lucas und Hans-Dieter Westhoff, und dass sie noch Mitstreiter suchen, gehört zum Konzept. Und auch Ziele stehen fest. In einer Wortmeldung sollte das zwar der Unternehmer Vok Dams vermissen, der auch sonst der Stadt regelmäßig Fehler im Marketing ankreidet und es seiner Zunft anempfiehlt. Doch der Kurator wusste versiert zu kontern: Ziele hat man durchaus, sogar je eines nach außen und innen. Das erste ist die externe Selbstdarstellung Wuppertals: als Stadt im Strukturwandel, ihrer Geschichte bewusst und mit Zukunft. Intern, also in die Stadtgesellschaft will man zweitens Aufklärung - über die Figur Engels und, wieder, über die Industriegeschichte.

Das alles ist Struktur – aber ist es nicht auch Entschärfung? Was der Mitverfasser des Kommunistischen Manifests nämlich sonst noch alles war, kam beim Auftakt besonders oft und gern zur Sprache: Weltbürger, Philosoph, Journalist, lebenslustiger Zeitgenosse. Das große Anliegen von seiner Geburtsstadt: Wiedereinbürgerung. Kapitalismuskritik? Ein Aspekt von vielen.

Wuppertaler können bestätigen, dass in Engels' Stadt der Verfasser des „Kommunistischen Manifests“ nicht gerade lebendiges Gemeingut ist. Als Schüler wurde man wahrscheinlich irgendwann einmal durchs „Engelshaus und Museum für Frühindustrialisierung“ gejagt, eigentlich meistens in einem Atemzug; und davon im Sinn bleiben mochte bis heute, dass es Spaß macht, einen historischen Webstuhl zu bedienen. Friedrich Engels ist im Tal ein Name, wie Pina Bausch, selbst wie Horst Tappert –  sowohl Begriff als auch unverbindlich. Derrick läuft ja auch in Holland. Aber einfach ist es ja auch nicht, eine Person zu pflegen im Rahmen eines Gemeinwesens, an dem diese Person heute wohl manches auszusetzen hätte. Wie ja auch umgekehrt, was Kurator Lucas leicht gewunden zugab: „Auch am heutigen Abend sind wohl nicht alle vorbehaltlos ... Fans seiner Äußerungen.“

Wie und was dann zelebrieren? ließe sich fragen. Soll Kapitalismuskritik nicht bloß als „interessantes“ „Thema“ gelten, mitsamt kommoder Entpolitisierung, hat es halt Tücken, einen konträren Denker zu kultivieren. Kultivieren (siehe Landwirtschaft) heißt nun einmal auch: Ordnen, Nutzen, Einhegen. „In der Kritik am Kapitalismus kann es doch nicht nur EINE Meinung geben“, mahnte Lucas Richtung hartnäckiger Freunde der reinen Lehre. Und als Vertreter der Linkspartei in der Pause auf der politischen Relevanz pochten, bekamen sie nachher Rüffel für ihren Trotz zu hören: „Feiern Sie sich nicht selber ab.“

Freilich: Der Auftakt roch im Ganzen nicht nach Harmoniesoße. So gab es Anmerkungen zu den Resultaten der Gruppenarbeit. In der „Wissenschafts-Sektion“ wurden etwa Genderfragen zwar benannt, doch zur Präsentation meinte eine Besucherin ungerührt: „Das fiel unter alle Gender-Minima, das war schon krass.“ Nachher nachgefragt, handelte es sich um Uta von Winterfeld, Politologin und Projektleiterin am Wuppertal Institut. Und so mag denn die Perspektive für die weitere Vorbereitung doch noch eine im guten Sinne holprige sein: Einbürgern kann ja auch Vereinnahmen heißen. Und bei aller Beruhigung über das Doch-Noch-Konzept: Konsens bei einem Revolutionär in dieser Zeit wäre ja unheimlich. Wie viel bleibt vom Systemkritiker, wird man sehen müssen.

Martin Hagemeyer

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