Kinokalender
Mo Di Mi Do Fr Sa So
11 12 13 14 15 16 17
18 19 20 21 22 23 24

12.575 Beiträge zu
3.805 Filmen im Forum

Komponist Jonathan Dove
Foto: Andrew Palmer

24 Stunden im Leben eines Revolutionärs

29. November 2018

Uraufführung der Oper „Marx in London“ – Opernzeit 12/18

Komponist Jonathan Dove und Librettist Charles Hart werfen einen satirischen Blick auf das Leben von Karl Marx während seines Exils in London, wohin der politisch Verfolgte 1850 flüchtete und bis zu seinem Tod im Jahr 1883 lebte. Nicht der politische Kampf, sondern der häusliche Alltag des Philosophen und Gesellschaftstheoretikers dient als Stoff für diese Komödie um Menschlich- Allzumenschliches.

Jenseits seines politischen Denkens zeigt sich der Revolutionär als Schwerenöter, Schuldenmacher und trinkfester Saufbruder. Marx‘ Ehefrau Jenny macht ihm Vorwürfe wegen der Schulden, seine jüngste Tochter Eleanor verfolgt ihn mit Neugier. Helene Demuth, seine Haushälterin, mit der er einen unehelichen Sohn hat, lässt ihn abblitzen, und sein alter Weggefährte und Finanzier Friedrich Engels muss wieder einmal alles richten. Eine Personenkonstellation die viel komödiantisches Konflikt- und Verwirrungspotential birgt, zumal der unverheiratete Engels Marx seit Jahren vor einem Skandal schützt, indem er vorgibt der Vater von Marx‘ unehelichem Sohn Freddy zu sein – gegen besseres Wissen hielt die sowjetische Geschichtsforschung im 20. Jahrhundert an der Vaterschaft Engels fest, um Marx nicht zu diskreditieren.

Die Komödienhandlung beschreibt fiktiv einen Tag im Leben des Philosophen: Der 14. August 1871 beginnt nicht gut für Karl Marx. Er verliert eine Schachpartie gegen Helene, das Mobiliar wird wegen der ausstehenden Schulden gepfändet und abtransportiert, schließlich steht auch noch sein inzwischen 18-jähriger Freddy vor der Tür und will herausfinden, wer wirklich sein Vater ist. Um das Tohuwabohu komplett zu machen, verfolgt Eleanor den Halbbruder mit neugieriger Liebeswut...Am Ende dieses tollen Tages geht natürlich alles gut aus, und das utopische Ende der Komödie korrigiert die historische Wirklichkeit: Freddy wird in die Familie aufgenommen, die Schulden sind beglichen, man lässt es sich beim Picknick im Grünen gut gehen und schaut zuversichtlich in die Zukunft – es gibt noch viel zu tun, verschieben wir es auf morgen.

Dove, mit seinen eingängigen Opern, theatralisch effektvoll komponiert, erfreut in England ein großes Publikum. Mehr als 20 Bühnenwerke hat der 59-Jährige bisher geschrieben. Ein tiefes Verständnis für Gesang und Musiktheater entwickelte Dove während seiner Tätigkeit als Korrepetitor, Liedbegleiter und Arrangeur in jungen Jahren. Oper und Stimme faszinierten ihn und wurden zentral für sein Schaffen als Komponist. Das Gespür für Themen und Stoffe, die auf ein breiteres Interesse stoßen, sichern seinen Werken Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit: Seine Flughafenoper „Flight“, die burlesk die Geschichten von einzelnen Fluggästen miteinander verknüpft, brachte ihm 1998 beim Glyndebourne Festival den Durchbruch, seine Fernsehoper „When She Died...Death Of A Princess“ zum fünften Todestag von Lady Di erreichte ein Millionenpublikum.

Nun darf man gespannt sein, wie es Dove und seinem Librettisten Charles Hart gelingt, in ihrer Farce Karl Marx vom Sockel der Geschichte auf die Bühne des Lebens zu stoßen – der große Denker als kleiner Mensch, gefangen in seinen Begierden und Unzulänglichkeiten.

„Marx in London“ | R: Jürgen R. Weber | 9.(UA), 12., 22., 28.12., 12.1. je 19.30 Uhr, 20.1. 18 Uhr | Oper Bonn | 0228 77 80 08

Kerstin Maria Pöhler

Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.

Neue Kinofilme

Gladiator II

Lesen Sie dazu auch:

„Kritische Auseinandersetzung mit der Kolonialzeit“
Kapellmeister Hermes Helfricht über Werner Egks „Columbus“ an der Oper Bonn – Oper in NRW 06/24

Absurde Südfrucht-Fabel
„Die Liebe zu den drei Orangen“ an der Oper Bonn – Oper in NRW 04/24

Verpasstes Glück
„Eugen Onegin“ in Bonn und Düsseldorf – Oper in NRW 02/24

Kampf durch Klang
„Der singende Teufel“ ungekürzt an der Oper Bonn – Oper in NRW 05/23

Liebe unter Engeln
„Asrael“ in der Oper Bonn – Oper in NRW 10/22

Unendliches Schwarz
Salvatore Sciarrinos „Infinito nero“ – Opernzeit 09/19

Draußen vor der Türe
Hermann von Waltershausens Oper „Oberst Chabert“ – Opernzeit 06/18

Es werde Licht!
Philip Glass‘ Pharao-Oper „Echnaton“ – Opernzeit 03/18

Oper als Befreiungskampf
„Attila“ von Giuseppe Verdi – Opernzeit 01/17

Kein richtiges Leben im falschen
Richard Wagners Oper „Der fliegende Holländer“ – Opernzeit 12/15

Oper.

Hier erscheint die Aufforderung!